Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 1 / 1928

Der Hochzeitsbitter.

Von den vielen Gebräuchen, die früher in unseren Dörfern gang und gäbe waren, sind doch eine große Zahl verschwunden. Oft wissen wir von solchen Gebräuchen nur noch vom Hörensagen oder aus alten Papieren. In wievielen Dörfern kennt man heute noch den „Hochzeitsbitter“? Dabei war doch die Tätigkeit in ganz Deutschland noch im vorigen Jahrhundert weit verbreitet. Sie geht weit zurück bis auf die Heidenzeit und stand auch bei den Wenden schon in hohem Ansehen. In vielen Gegenden ritten die beiden Boten, die je nach Landschaft auch „Umbitter“ oder „Hokstloader“ hießen, meist junge Burschen aus der Verwandtschaft oder Freundschaft des Bräutigams, für diesen zu den Hochzeitsgästen, dne Ortsrichtern und zur Braut um einzuladen, zur Hochzeit zu bitten oder auch die Einfahrt ins Dorf zu erwirken.
Ein leider nicht mehr vollständiges kleines Buch gibt uns einen tiefen Einblick in diese Sitten unserer Vorfahren. Wie schade, daß uns Anfang und Schluß fehlen! Aber dennoch sind die noch erhaltenen Abschnitte interessant genug, aufgehoben zu werden.
Wenn doch alle Einwohner diese alten Zettel, vergilbte und zernagte, aufheben und einsenden wollten, wie manche wertvolle Nachricht würde der Nachwelt erhalten!
Wenden wir uns nun unseren Blättern zu. Der 1. Abschnitt fehlt gänzlich. Der zweite folgt (soweit er erhalten) hierunter. Er enthält die Ansprache des Hochzeitsbitters an den Ortsrichter im Dorfe der Braut mit der Bitte um freies Geleit beim Einzug des Bräutigams vor der Trauung. Abschnitt 3 und 4 richten sich dann an den Brautvater und die Braut. Hier die wörtliche Abschrift:

Es wird ihm wohl bewußt sein das diese Beyde verlobte Personen sind in der Christlichen Kirche Allhier auf gebothen worden, und ist nun mehr Heute der gesegte („gesegnete“ d. Schr.) Tag das solche durch Priesterliche Coplation Christlichen gebrauch vollzogen werden. Es wird von uns ankommen ein vorbespannter Wagen, bitten derowegen gantz freundlich, daß wir möchten ein sicheres Geleite ein und aus zu fahren haben, mit Roß und Wagen. Wir aber für unsern Person, die wir noch jung von Jahren nicht viel gelernt noch erfahren, möchten etwa einen Fehler begangen haben, wolle uns der Herr Richter denselben zu gut halten.

3.) An den Hochzeit Vater!
Glück zu Herr Hochzeit Vater!
Wohlgeehrter Herr Hochzeit Vater: Wir sind zwey Abgesandten von dem Bräutigam, dieser läßt euch freundlich Grüßen und sprechen, ob er soll mit seinen Hochzeit Gästen herein fahren oder nicht, er erhoffet aber sie werden fromme Gäste seyen, und sich auführen als wie Hochzeit Gäste in Ehren.

4.) An die Braut
Ehr und tugendsame Jungfer Braut, ihr werdet euch zu erinnern wüßen, daß ihr euch mit Joh. Gottfried N. von Maßen in ein Christlich Ehe-Verlöbniß eingelaßen, als seit ihr gesinnet Heut auf diesen Tag euch in den Heiligen Ehestand zu begeben so läßt der Herr Bräutigam ihr als die Jungfer Braut gantz freundlich Grüßen, und ob sie dis versprechen werde halten was sie vor etlichen Wochen zugesagt und versprochen.

Die nächsten drei Abschnitte gehören wieder zusammen. Sie sind am Tage nach der Hochzeit vom „Brautführer“ oder „Hokstbitter“ an die entsprechenden Personen gerichtet worden. Besonders interessant ist wohl der Schluß des 6. Abschnittes. Wer der Gemeinde bei der Ausfahrt Ungelegenheiten macht – etwa durch Uebermut oder Trunkenheit – dem soll dieser Frevel teuer zu stehen kommen.

5. An den Richter zum ausfahren.
Wohlgeehrter Herr Richter!
Wir sind zwey abgesandte Bothen von dem Ehrbaren und Arbeitsamen N. N. haben vor ihm eine ehrliche Werbung zuthun an den Herrn Richter bitten derowegen gantz freundlich er werde sie gern und willig von uns annehmen. Es wird ihm wohl bewußt seyn, daß diese beyde verlobte Personen Gestern durch Priesterliche Copulation sind zusammen gegeben worden, und an Heute ihren Abzug nehmen wollen, bitten derowegen gantz Freundlich daß wir möchten ein Sicheres Geleite auszufahren haben mit Roß und Wagen. Wir aber für unsere Person die wir noch Jung an Jahren, nicht viel gelernt noch erfahren möchten einen Fehler begangen haben, wolle uns der Herr Richter zu gut halten.

6. An den Bräutiam!
Wohlgeehrter Herr Bräutiam! („Bräutigam“ d. Schr.) und allerseits wertheste Freunde, wir haben nunmehr unser anbringen bey den Herrn Richter Schöppen und der gantzen Gemeinde ausgerichtet und habens auch erlangt, daß wir alle ein sicheres Geleite mit Roß und Wagen einfahren haben, solte aber einer oder der andere Ungelegenheit anfangen so hat der Herr Richter ein Paar spanischen Stiefeln, die sind langezeit nicht geschmiert worden, diese sollen ihn leider sehr drücken, und der Gemeinde soll er geben ein Faß Bier und dem Richter einen neuen Peltz. Prosit Herr Bräutiam.

7.) bey dem Wagen des Bräutiams.
Wohlgeehrter Herr Fuhrman. Wir haben nun mehr unser Anbringen bey dem Herrn Richter, Schöppen, und gantzen Gemeinde ausgerichtet und haben auch erlanget, daß alle ein sicheres Geleite ein und aus zufahren haben.

Wie in dem Dorfe der Braut, so bitten die Boten auch vor dem Einzug der Hochzeitsgesellschaft im Dorfe des Bräutigams um freies Geleit. Unsere Eltern können sich noch entsinnen, wie der Brautzug an der Grenze des Dorfes auf die Rückkehr der Boten wartete und erst nach dem Bescheid derselben – wie er in Abschnitt 9 leider nicht vollständig wiedergegeben wird – die Gemarkung des neuen Heims betreten durften.

8.) Wo sie hin gefüret werden.
Glück zu Herr Richter, ihr werdet euch guter maaßen wißen zu erinnern, daß sich Joh. Gottfried N. in den Heiligen Ehestand begeben hat. Als will er sich Heute mit seiner Liebsten nach Hause begeben, so läßt er Ihm als dem Herrn Richter gantz freundlich ersuchen und ansprechen, ob Er ihm will auf und annehmen in seiner Christlichen Gemeinde und daß wir möchten alle ein sicheres Geleite hereinzufahren haben, damit wir nicht möchten von einem oder den andern angefallen werden.

9.) An sämtliche Hochzeit Gäste:
Allerseits wertheste Freunde, wir haben nunmehr unser Anbringen bey dem Herrn Richter Schöppen und der gantzen Gemeinde ausgerichtet, und habens auch erlanget, daß wir alle ein sicheres Geleite herein zufahren haben, und der Herr Richter läßt den Jungen Eheleuten Glück und Segen Wünschen, und will sie auf und -- (wahrscheinliche Fortsetzung: „annehmen“. D. Schriftl.)

Damit endet die interessante kleine Schrift. Wie gewichtig war doch damals jede heute scheinbar so gleichgültige Sache. Wir trauern zwar vergangenen Zeiten nicht nutzlos nach, aber wir ehren die sittlichen Taten der Altvorderen und bitten daher alle Heimatfreunde alles zu sammeln, wenn es auch scheinbar unleserlich und unwichtig erscheint.

Pohl.