Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 4 / 1936

Das Tuchmacher-Privilegium.

Wir Bürgermeister und Rath der Kurfürstlichen Sächsischen Stadt Luckau im Markgraftum Niederlausitz vor uns und alle zu künftigen Zeiten uns nachkommende im Rat tun kund und fügen mit Entbietung unserer nach Standes Gebühr und Hoheit untertänigsten, gehorsamen, schuldigen, willigen Dienste, freundlichen Grußes und alles Guten jedermänniglichen, so diesen Brief sehen, lesen und hören, hiermit und in Kraft dieses zu wißen, daß dato das gesamte Handwerk der Tuchmacher und Gewandmacher allhier zu Luckau Uns mit schmerzlichen Klagen zu vernehmen gegeben, welchergestest in er ao. 1652 am 30. Aprilis beschehenen großen Feuersbrunst unter andern ihren sonderbaren Privilegiis auch das Original der von Woldemarn, Markgrafen zu Brandenburg und Lausitz ihnen erteilten und hernacher von Wenceslao, Römischen Kaiser und König von Beheim, allergnädigst confirmirten Inungs- Handwerksordung in der Flamme verdorben, welches dann verursachet, daß nicht alleine viel Unordnung bei dem Handwerk einzuschleichen beginnet, sondern sie müßten auch befahren, daß in kurzer Zeit sie vollend gar um ietzo noch habende Nachrichten kommen möchten. Dahero Uns eine beglaubte Abschrift der vorigen verdorbenen Ordnung und erteilten Privilegien überreichet mit untertäniger Bitte, wir solche durchlesen, in ein richtiges Instrumentum wiederumb bringen und als Obrigkeit von neuem confirmiren wollten. Es lautet solche folgendergestalt:
Wir Wenceslaus von Gottes Gnaden Römischer König, allzeit Mehrer des Reichs und König zu Beheim tun kund und zu wißen kraft dieses allen und jeden, daß eins Teils der Tuch- und Gewandmacher der Stadt Luckau, unsere liebe Getreue, vor Uns erschienen mit demütiger und inständiger Bitte, daß Wir den nachgesetzten uns überreichten Brief, so ihnen wegen etlicher Freiheiten und Begnadigungen von dem weiland durchlauchtigsten und wohlgebornen Herrn, Herrn Woldemar, Markgrafen zu Brandenburg und Lausitz, erteilet und gegeben, allergnädigst approbiren, vollziehen, verneuern und bekräftigen sollten, deßen Inhalt also lautet:
Wir Woldemar von Gottes Gnaden Markgraf zu Brandenburg und Lausitz tun kund und zu wißen öffentlich allen und jeden so diesen Brief sehen, hören und lesen, daß Wir erheischender Gerechtigkeit wegen unsere Beschirmungs-Untertanen, sowohl arm als reich, alle gleich gutwillig bei ihren alten Rechten und Gerechtigkeiten von nun an bis zu ewigen Zeiten schützen und günstig erhalten wollen; vornehmlich aber die Tuch- und Gewandmacher unser Stadt Luckau, welche in-gemein Wollenweber genennet werden, wollen wir bei ihren Recht und Gewohnheiten, so sie von alters her laut ihrer fürstlichen brieflichen Urkunden gehabt, erhalten und gnädigst verschaffen, daß sie alle und jeder darbei erhalten und gnädigst verschaffen, daß sie alle und jeder darbei erhalten werden sollen, wie Wir dann ihnen auf ihre absonderliche Bitte und Ansuchen in gegenwärtigem unserm Briefe gänzlichen nachgeben und freiwillig zulassen völlige Macht, daß von dato an alle und jede nach ihrem Vermögen ganze oder halbe Tücher wirken und weben mögen, mehr oder minder, die ihre Länge haben, als gebräuchlich ist; sie seien, welcherlei Farben sie wollen, welche sie ohne Unterschied zu verkaufen Macht haben sollen, wem sie wollen; und davon soll sie keinerlei Verbot oder Befehl in vorgedachter Stadt verhindern noch zurückhalten.
Und soll auch den Tuchmachern freistehen, die Tücher in- oder außerhalb der Stadt zu teilen oder zu verschneiden nach ihrem Belieben; sollen auch nachfolgender Articel in allen Punkten nachleben und zwar:
Zum Ersten: Demnach sie auch eigentlich angegeben und sich beschwert befunden, daß andere außer ihres Handwerks, die sonst teils wohl in andern Zünften sind, sich unterstanden, mit Woll und Tuchen zu handeln, dieselben über Land zu führen und zu tragen, damit hausiren zu gehen, und also ihnen in ihren Nahrung vielfältigen Abbruch zu tun, und ihnen und den Ihrigen ihr Bislein Brod vorm Munde hinwegzuraffen, so soll hiermit solches ausdrücklich verboten sein, also daß keiner, der nicht des Handwerks ist, noch dasselbe erlernet und es mit ihnen hält, wer der sei, einigerlei Handlung mit Erkaufung der Wollen oder gemachten Tücher, durch was Schein oder Mittel es immer geschehen möchte, sich unterfangen und unterwinden soll; sondern es soll ein jeder seines Handwerks und Berufs, darein er von Gott gesetzt, abwarten und den andern keinen Schaden zufügen. Wer darwider handelt, soll der Waren an Tücher und Wolle verlustig sein und nach derselben Wert gestrafet werden, davon dem Handwerk von jedem ereignenden Falle, den sie offenbaren, der fünfte Teil von der Obrigkeit zu ihrem Anteil gefolget werden soll.
Zum Andern halten und erkennen wir vor Recht, daß ein jeder, der bei ihnen gedenket das Handwerk zu erlernen, seiner ehrlichen Geburt wegen Zeugnis einbringen soll, daß er deutscher und nicht wendischer Geburt sei; und soll alsdann dem Handwerke in die Lade drei Gülden und drei Groschen erlegen, darauf vier Jahr lernen und vier Jahr wandern.
Zum Dritten soll jeder Meister in einem Jahr nicht lehren als einen Jungen; und das soll geschehen mit vierer Meister Willen, und daß er des Handwerks würdig sei; wer aber einem darüber lehret, der es nicht würdig ist, der soll geben ein Viertel Bier.
Zum Vierdten soll ein jeder, der bei ihnen gedenket, Meister zu werden, ein ganz Jahr aufs Jahr arbeiten und drei Mal muthen und allemal zwene Groschen zum Mutgroschen erlegen; und wann er gedenket, Meister zu werden, Fünfundzwanzig Gülden zum Meisterrecht; darneben soll er alle Onera (Lasten) mit Aufwarten, Einschenken, Totentragen, und was ihme von denen vorgesetzten Handwerkssachen anbefohlen wird, ohne alle Beschwer und Widerwillen auf sich nehmen und verrichten.
Zum Fünften soll kein Meisters Sohn, viel weniger ein frembder zum Meisterrecht gelaßen werden, er sei dann verehelicht oder ehelich versprochen; und alsdann soll er 14 Tage vor Pfingsten oder Weihnachten sich bei den Vorstehern angeben, als eines Meisters Sohn einen Groschen zum Muthgroschen erlegen, und wann ihm das Meisterrecht übergeben wird, alsdann 6 Groschen.
Zum Sechsten soll eines Meisters Wittib sowohl eines Meisters Tochter das ganze Meisterrecht frei genießen, wann sie einen fremden Gesellen, der des Handwerks würdig ist, heiratet. Derselbe Gesell soll auch ein Jahr ufs Jahr gearbeitet und vier Jahr gewandert haben, und soll dreimal muthen, auch allemal zwene Groschen zum Muthgroschen erlegen; und wann ihme das Meisterrecht übergeben wird, soll er einen Gülden zum Meisterrecht erlegen.
Zum Siebenten: Ein jeder Meisters Sohn, der sich anderswo gedenket zu besetzen und sein Zeugnis bei dem Handwerk abholet, der soll dem Handwerk sechs Groschen vors Zusammenfordern, und auch sechs Groschen vors Siegeln geben. Ist es aber ein fremder, der seinen Lehrbrief abholet, der soll dem Handwerk einen Rtlr. (Thaler) zu Beschicken und sechs Groschen vors Siegeln geben.
Ein jeder Mitmeister, der aus dem Handwerk freiet, soll seines Weibes Gezeugnis nach verfloßener Jahresfrist einwenden. Welcher das nicht tut, dessen Weib soll an dem Handwerk kein Teil haben, und er, der Meister, soll alle Morgensprachen Weihnachten und Pfingsten, solange bis ers einwendet, zwölf Groschen zur Strafe erlegen.
Zum Neundten, soll auch ein Meister, der das Meisterrecht erworben, Macht haben, Tuch zu machen, wie solche zu Budißin und Görlitz gemachet werden, als rot, schwarz, braun, grün oder gelb, oder wie sie Namen haben mögen, und wie ers gelernet hat.
Zum Zehenden, soll auch ein jeder recht scheeren, die besten 44, die groben 40; und welcher betroffen, daß etwas daran mangelte, der soll des Handwerks Strafe gewärtig sein. Will aber einer oder der andere 48 oder 50 breit machen, das ist ihm auch wohl vergönnet.
Zum Eilften: Es soll aber niemand an ein Tuch dreierlei Farben scheeren oder einschirgen, auch nicht warfstreifigt, sondern ein Ende wie das ander machen. Gebräche aber einem etwas Garn, so mag ers an einem Ende einschlagen. Sonsten wo einer Bundwerk machet und läßet es nicht färben, sondern verkaufts und wird betroffen, der soll dem Handwerk ein Viertel Bier verfallen sein.
Zum Zwölften soll auch keiner Flocken oder gekämmte Wolle wie auch Bleckwolle arbeiten. Wer hierüber betroffen wirde, der soll dem Handwerk ein halb Faß Bier zur Strafe verfallen sein.
Zum Dreyzehenden: Wann einer des Handwerks dem andern das Seinige stiehlt oder mit wissenden Muth an sich kaufet, der ist unredlich, soweit als man recht hält, sowohl wann einer kaufe geraubet oder gestohlen Gut, und kann überwiesen werden, der ist dem Handwerk ein Viertel Bier zur Strafe verfallen.
Zum Vierzehenden soll auch keiner dem andern sein Gesinde, es sei Weber oder Wollenschläger, Knappen oder Spinners abhalten, vielweniger gar abspännig machen, noch dieselben mit Gescshenken an sich ziehen, vielweniger das Lohn, es sei an Wolle schlagen, Wirken, Spinnen oder in der Meisterei ohne Vorbewust des Handwerks erhöhen; welcher oder welche das tut, der soll in des Handwerks willkührliche Strafe verfallen sein.
Zum Funfzehnden soll sich auch keiner befinden laßen, mit der Wage, die zu groß ist, davon man den Spinnern lohnet. Wer hierüber betroffen wird, derselbe soll dem Handwerk sechs Groschen zur Strafe geben.
Zum Sechzehenden: Welcher in einer Sache, so das Handwerk betrifft, vor den Rat oder den Richter gehet, der soll dem Handwerk ein Faß Bier zur Strafe verfallen sein.
Zum Siebenzehenden: Der Spinnerin soll von einem Pfund oder Gewäge drei Groschen, dem Weber aber von 44igern drei Groschen, vor 50igern vier Groschen, von Mitteltüchern zwene Groschen und von groben zwene Groschen ohne sechs Heller, in der Meisterei aber soll von den vierschäftigen Tüchern drei Groschen, von einem Mitteltuch zwene Groschen, acht Pfennige, ein Heller; und von einem groben Tuch zwene Groschen und sechs Pfennige zum Lohn gegeben werden.
Zum Achzehenden: Alle Tuche sollen durch die Verordneten und zu Rathaus Vereideten dem Armen als dem Reichen je ein grobes Tuch mit einem, ein mittels mit zweien und das beste mit drei Siegeln unter der Stadt Wappen und eines jeden Meisters gewöhnlichen Zeichen besiegelt werden; und sollen dieselbe Tuche, sie sind grob, mittel oder auch die besten ihre rechte Länge und Breite haben.
Zu mehrerm Zeugnis und unverbrüchlicher steifer und fester Haltung dieses unsers offenen Briefes und Begnadigung haben wir solchen mit unserm Insiegel bekräftiget. So geschehen und gegeben zu Königsberg nach Gottes, des Herrn Geburt Eintausend Dreihundert und Achtzehn Jahr, am Abend der heiligen Zwölfboten Simonis und Judae. (27. Oktober.)
Wann Wir dann solches ihr billiges Ansuchen und Begehren in Gnaden angenommen haben und uns gefallen lassen bevoraus, weil eine billige und rechtmäßige Bitte nicht zu versagen und abzuschlagen, als wollen wir diesen obgesetzten Brief und alles, was darinnen begriffen, mit allen und jeden Punkten, Clauseln und Artikeln, wie sie von Wort zu Wort ausdrücklich oben beschrieben und verzeichnet in königlicher Macht und Autorität mit diesem unserm Brief approbiret, vollzogen und verneuert haben, approbiren, vollziehen und verneuern auch denselben kraft dieses unsers Briefes und königlichen Insiegels und wollen, daß derselbe zu ewigen Zeiten stete, fest und unverbrüchlich gehalten werden soll.
Datum Praga im Jahr des Herrn Eintausend Dreihundert Zweiundachtzig, da der Römer Zinszahl 5 war, den einunddreißigsten Tag Octobris; Unserer Reiche, des Böhmischen im zwanzigsten, des Römischen aber im sechsten Jahre.
B. Wilhelmus de Kortelangen
Auf Befehl der Königl. Maiest. zu Böhmen Martinus Scholasticus.
Und dann auch wir Bürgermeister und Rat der Stadt Luckau uns wohl erinnern, daß das verlorne lateinische Original alle obigen Befreiungen in sich enthalten, und befunden, daß jetzo in diesem renovirten Innungs-, Artikels- und Befreiungsbrief ganz nichts verändert, vermindert und vermehret worden, sondern daß dieser den vorigen in allen Punkten und Klausalen durchaus conform (gleichlautend), gleichstimmig und eigentlich verdeutscht, wir auch jederzeit dahin zu trachten schuldig und gewillet sind, unserer Bürgerschaft Nutzen, Aufnehmen und Wohlfahrt bestermaßen zu befördern und sie bei ihren Freizeiten, löblichen Gebräuchen und rechtmäßigen Gewohnheiten zu schützen und soviel an uns zu handhaben; als haben Wir auch obgedachten Handwerk der Tuch- und Gewandmacher allhier zu Luckau, soviel dero jetzt ist, oder zu künftigen Zeiten sein werden, vorgesetzte ihre ehe (früher) gehabten Privilegia, Freiheiten und Artikel, weil je ihr Suchen billig, hiermit verneuert, confirmirt und bestätigt; verneuern, confirmiren und bestätigen solche auch hiermit nochmals und in Kraft dieses unsers Briefes, daß sie sich sämtlichen, und jedweder Meister in Sonderheit, hiernach zu allen künftigen Zeiten achten und darwider im geringsten nicht handeln sollen; wollen wir auch, soviel an Uns, sie zu jeder Zeit und auf erfordernde Notwendigkeit sie darbei schützen, handhaben und hingegen von ihnen gleichergestalt fest darüber gehalten haben.
Deßen zu Urkund haben Wir an diesen Brief unser und gemeiner Stadt größeres Insiegel wißentlich und wohlbedächtig hangen laßen. So geschehen auf dem Rathaus zu Luckau den dreizehenden Tag des Monats Mai Gregorianischen Kalenders nach Christi, unsers Herrn Geburt im Eintausend Sechshundert Fünfundfünfzigsten Jahr.
Bürgermeister und Rat hierselbst.