Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 3 / 1932

Die Stadt Luckau bittet um Steuerermäßigung
und Verlängerung des Zahlungsaufschubs.

Ein Bild aus der Notzeit nach dem 30jährigen Kriege.
Von Dr. Rudolf Lehmann.

Das heutige Finanzelend der Gemeinden findet in der Vergangenheit, namentlich in den Zeiten des Großen Krieges im 17. Jahrhundert, der Deutschlands Entwicklung und seine Kultur auf ein Jahrhundert zurückwarf, erschütternde Parallelen. Das zeigt auch das folgende Schreiben (Lübben. Ständ. Archiv OAReg. Nr. 146 Bl. 38 ff.), das Bürgermeister und Rat von Luckau am 24. März 1660 an die herzoglich Merseburgische Regierung richteten.
„Gnädigster Fürst und Herr. Euer hochfürstlichen Durchlaucht können wir untertänigst zu berichten nicht unterlassen, daß anno 1644 eine große Feuersbrunst in dieser Stadt allhier entstanden und durch solche mehr als der halbe Teil derselben nebst unserer schönen Kirche, Rathaus und anderen gemeinen Gebäuden in die Asche geleget worden und ob zwar die armen abgebrannten Leute sich äußerst angegriffen und allen ihren annoch vorhandenen Vorrat zu Wiederauferbauung ihrer Häuserlein angewendet, so ist doch anno 1652 wiederum ein unversehenes Feuer ausgekommen, welches alsobald dergestalt überhandgenommen, daß ungefähr in einer halben Stunde nicht allein die neu wiedererbauten Häuser und die, so im vorigen Brande noch kümmerlich erhalten worden, sondern auch sehr viel Leute, Mann- und Weibspersonen, die in so geschwinder Eil sich nicht retten können, jämmerlich verbrannt und um ihr Leben gebracht worden, und hat solches Feuer so plötzlich und geschwinde überhandgenommen, daß von dem vorhandenen Vorrat nicht das Geringste salviret werden können, sondern es ist alles verbrannt und in die Asche geleget worden und haben mehr nicht als das bloße arme Leben erhalten.
Nun hätte zwar damals niemand gemeinet, daß in dieser so ganz abgebrannten und in Grund verderbten Stadt wieder etwas angebauet werden sollte, indem alle Mittel, leider, hinweg gewesen und einer an diesen, der andere an einen anderen Ort sich begeben wollen. Es hat aber Eurer fürstlichen Durchlaucht hochgeehrter Herr Vater dieses unser großes ausgestandenes Elend gnädigst vernommen, dasselbe landesväterlich beherziget und erwogen, daß es Ihrer kurfürstlichen Durchlaucht selbst, wie auch dem Lande ein großer Schade sein würde, so diese Stadt, so ohne die Dorfschaften 38000 Gulden in Schatzung liegt und jährlich ein Großes contribuiret, nicht wieder erbauet werden sollte, und sich dahero über uns gnädigst erbarmet und daß in acht Jahren (= 8 Jahre lang) wir von unseren Contributionibus befreiet, auch von unseren Creditoribus solche Zeit über sowohl wegen der Capitalien als der Zinsen unmolestiret verbleiben sollten, ein gnädigstes moratorium erteilet, dadurch dann nicht allein viel von den armen abgebrannten Leuten wieder einen Mut geschöpfet und sich äußerst bemühet, wie bei ihren Freunden und Bekannten sie Geld aufnehmen und borgen und ihre abgebrannten Häuser nur in etwas wieder erbauen möchten, sondern es seind auch durch solche kurfürstliche Gnade viel Leute bewogen worden, daß zu Erbauung ihrer Häuserlein sie einem und dem andern etwas geliehen und vorgestrecket haben. Ob nun wohl viel von den Bürgern sich äußerst bemühet dieselben wieder dankbarlich zu befriedigen und ihre Nahrung daneben wieder anzurichten, wie auch auf ein und die andere wüste Stelle wieder Leute zu bringen, uns höchst angelegen sein lassen, so müssen doch Eurer hochfürstlichen Durchlaucht wir untertänigst klagen, daß der meiste Teil von den Bürgern noch in großen Schulden stecken und ihre Häuserlein, welche doch ohne dies von schlechter Consideration sein, zur Zeit nicht bezahlen können, wie denn auch noch mehr als der halbe Teil in der Stadt und Vorstädten wüste und unaufgebauet ist, wie Euer hochfürstliche Durchlaucht aus beiliegender Specification gnädigst ersehen werden. (Vgl. am Schluß.) Ueber dieses haben noch viel weniger bei sotanem unserm verderbten Zustande wie die durch den vergangenen Krieg ruinirten Dorfschaften mit Untertanen wieder besetzen, demselben einigen Vorschub tun, die Schäfereien wieder aufbauen, mit Vieh besetzen und wie vor diesem nützen und gebrauchen können. Wann dann, gnädigster Landesfürst und Herr, leider mehr als zu wohl bekannt, welchergestalt der Status hujus reipublicae (die Lage dieses Gemeinwesens) nicht durch unsere Schuld und Verwahrlosung, sondern causa infortunii (aus Unglück) nämlich durch die langwierigen und unglückseligen Kriegszufälle, Pressuren und Beschwerden, sowohl durch die zwei ausgestandene Brandschäden invertiret und zerrüttet und wir dadurch in äußerstes Armut und Unvermögen gesetzt worden, und do bei solchen ereigneten qualitatibus et circumstantiis (Beschaffenheit und Umständen) nicht ein moderamen aequitatis adhibiret[ur] (ein Billigkeitsverfahren angewendet würde) und uns nicht allein ein Teil von der Schatzung (Steuerveranlagung bezw. Steuerentrichtung), indem, wie angeführet, mehr als die halbe Stadt annoch öde und wüste, abgenommen, auch das gnädigste moratorium noch eine Zeitlang gelassen werden sollte, würden nicht allein die Bürger ihren gemachten fidem (Verpflichtung) desto weniger liberiren (erfüllen), ihre Häuserlein vollends bezahlen noch Eurer fürstlichen Durchlaucht die Contribution und andre Landes- und gemeine Stadtgefälle abgeben und entrichten, noch viel weniger sonsten in gewünschtes Aufnehmen gelangen können, sondern es würden auch die Creditores (Gläubiger) mit Gewalt in uns tringen, via executiva (auf dem Exekutivwege) wider uns verfahren, die Sache ad concursum bringen, unsere Güterlein in sequestration nehmen und dadurch causiren (verursachen), daß wir vollends in gänzlichen Verderb und ruin gesetzet und über einen Haufen geworfen werden möchten, welchem Unheil aber Euer hochfürstliche Durchlaucht aus landesväterlicher Vorsorge und in gnädigster Consideration (Betrachtung) der angeführten qualitäten vorzukommen sonder Zweifel gnädigst verfügen werden, bevorab Eurer hochfürstlichen Durchlaucht selbsten und dem ganzen Lande an der Stadt Aufnahmen und Conservirung gelegen ist. Und ist zwar nicht ohne, daß wir allbereit achtjährige Begnadung, welches wir nochmals mit untertänigstem Dank erkennen, genossen haben, allein es wird ein jeder, dem die rechte und eigentliche Beschaffenheit unsers ganz in Grund verderbten Zustandes bewußt ist, bekennen müssen, daß unmöglich sei, innerhalb solcher Zeit wiederum zu respiriren (sich zu erholen) und sich aufzuhelfen, inmaßen dann dieses alles nicht genugsam zu beschreiben stehet. Dieweil nun ungeacht der großen und über den halben Teil vorhandenen Wüstungen wir dennoch die volle Schatzung ausbringen, die großen Wüstungen übertragen und die Eurer fürstlichen Durchlaucht untertänigst beschehenen Bewilligungen nebst den Landesanlagen darnach einbringen müssen, diese Stadt auch, wie allbereit erwähnet, in hoher und schwerer Schatzung liegt und den Einwohnern wegen ihrer privat-Schulden und schlechten Nahrung die Wüstungen zu übertragen unmöglich ist, das moratorium auch nunmehr fast zu Ende gelaufen und wir nicht allein die Schulden, so wegen unsers Brandes, wie erwähnet, wir gemachet, sondern auch die, mit welchen unsre Vorfahren vor 40, 50, 60 und mehr Jahren diese Stadt vertiefet (Die Gesamtsumme der Schulden betrug 26938 Taler 5 Groschen. Zum Vergleich diene, daß sich die festen Bareinkünfte der Stadt damals nur auf 622 Taler 21 Groschen beliefen.), zahlen und darneben unsere Contribution und Landesanlagen abführen sollen, zu Eurer hochfürstlichen Durchlaucht aber das feste und untertänigste Vertrauen setzen, Sie werden nicht weniger, als dero hochgeehrter Herr Vater christmildester Gedächtnis getan, über uns arme abgebrannte und in Grund verderbte Leute sich gnädigst erbarmen und nicht zugeben, daß wegen Uebertragung der Wüstungen und gemeiner Stadt Schulden, welche unsre Vorfahren gemacht, wir unsre mit Schulden wieder aufgebauete Häuserlein verlassen und dieselben mit dem Rücken ansehen müssen. Als ist an Eure hochfürstliche Durchlaucht unser untertänigstes Flehen und Bitten, Sie geruhen gnädigst, unsre große ausgestandne calamität und Elend und daher entsprungene impossibilitatem solvendi (Unmöglichkeit, zu zahlen), sowohl den imminirenden (drohenden) ruin dieser Stadt zu beherzigen und die gnädigste Verordnung zu tun, daß nicht allein bis zu unsrem bessern Aufnehmen und bis die Wüstungen wieder ersetzt, uns der halbe Teil der Schatzung abgenommen, sondern auch das gnädigste moratorium noch auf vier Jahr gelassen und die Creditores wegen gemeiner Stadtschulden bis zu Endigung solcher vier Jahr zur Geduld vermahnet und keine Execution wider uns unterdessen verstattet werden möge. Hierdurch werden wir bei unsren wiedererbaueten Häuserlein erhalten und andre angereizet, die annoch vorhandenen Wüstungen anzunehmen und gleichfalls zu bauen. Die Stadt bleibet bei ihren Güterlein und kann in vorfallendem Notfall nachmals desto besser bei den andern Ständen umtreten und Eure hochfürstliche Durchlaucht unter die Arme greifen, auch, indem der Stadt Güter von Jahren zu Jahren besser angebauet werden, gemeiner Stadt Schulden desto besser und leichter zahlen und abführen .....
Verzeichnis, wieviel bewohnete und wüste Stellen in der Stadt und Vorstädten vorhanden:
                              bewohnt   wüste     zusammen
Im 1. Viertel                      41        40         81
Im andern Viertel                  44        23         67
Im 3. Viertel                      35        26         61
Im 4. Viertel                      44        19         63
in der Caloischen Vorstadt         18        74         92
vorm Sandoer Tore,                 10        15         25
     die Brückischen
     Töpferendische                 5        40         45
     Insgesamt                    197       237        434