Ostpreußische Fundgrube

Land zu Kulmischen Recht

Vor 700 Jahren wurde im Ermland das Dorf Kalkstein gegründet
von Elisabeth Schulz
(aus "Das Ostpreußenblatt" vom 10. August 1985)
Bilder: Bernhard Wagner

Kirche in Kalkstein Viel früher als die umliegenden Kirchdörfer wurde das Dorf Kalkstein gegründet, nämlich im Jahre 1285. Das ursprüngliche Dorf lag südlich des heutigen Dorfes, am alten Dorfgraben. Kalkstein soll der Name eines altpreußischen Feldes gewesen sein, welches schon vor der deutschen Eroberung unter Kultur gestanden habe und weder mit Kalk noch mit Stein etwas zu tun haben. Das Dorf zieht sich an der Passarge entlang, deren Ufer hier sehr romantisch sind. Flächengröße und Grenzen haben sich seit der Gründung kaum geändert. Um das Aufblühen des jungen Bistums Ermland bemühten sich fünf Brüder "von Lichtenau", die aus Niederdeutschland stammten. Bald nannten sie sich nach den Gütern, mit denen sie vom Bischof Heinrich ausgestattet wurden. Am 20. April 1285 wurden Christian und Johannes vom Bischof feierlich mit 60 Hufen im Felde Kalkstein beliehen und nannten sich jetzt Christian und Johannes von Kalkstein. Sie erhielten das Land zu kulmischem Recht. Sie und ihre Erben durften die Begüterung vertauschen und beliebig zu ihrem Nutzen verwenden, aber immer unbeschadet der Rechte des Landesherren, der ermländischen Kirche.1329 wird Kalkstein "villa" genannt, worunter man ein von unfreien Bauern besetztes Gutsdorf zu verstehen hat. Die Kriege des fünfzehnten Jahrhunderts haben Kalkstein hart mitgenommen. Ein Teil Kalksteins war wieder an den bischöflichen Stuhl gekommen. Einen Teil des Gutsdorfes hatte das Kollegiatstift Guttstadt erworben. Jakob von Kalkstein verkaufte 1582 den Rest seines Stammgutes Kalkstein an zwei Neffen des Kardinals Hosius. Der Familie Hosius gehörte das Land noch Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Kirche ist in der Gründungsurkunde von Kalkstein nicht erwähnt. Sicherlich wurde die erste Kirche aber schon im 14. Jahrhundert erbaut, da 1346 schon ein Pfarrer Nikolaus de Kalkstein genannt wird. Am 1. Juni 1580 weihte Bischof Kromer eine Kirche zu Ehren des Apostels Andreas ein. Der Turm war ein mit Brettern verschalter Holzbau, die Kirche selbst ein fester Ziegelbau. Außer dem westlichen Eingang durch den Turm gab es noch einen südlichen. Hier wurde später eine Vorhalle erbaut. Darunter befand sich seit 1798 die Begräbnisstätte der Familie von Hatten aus Lemitten, die vorher in der Kirche selbst war. Vor dem Hochaltar und in der Vorhalle unter dem Turm befanden sich Grabsteine der Familie Hosius. Die Familien von Hatten und Hosius sind im 16. Jahrhundert ins Ermland gekommen. Johann Hosius, der Bruder des Kardinals Hosius, hatte die Witwe Johann von Hattens geheiratet. Den Familien Hosius und Hatten gehörte das Gut Lemitten, wo auch Bischof Stanislaus von Hatten geboren wurde. Lemitten gehörte zum Kirchspiel Kalkstein. Altar der Kalksteiner Kirche
Der noch heute vorhandene Hochaltar stammt aus dem 17. Jahrhundert, 1857 wurde er zum Teil vergoldet. An einer der vier Säulen sieht man das Wappen der Familie Hosius. Das ursprüngliche untere Altarbild stellte die Geburt Christi dar, wurde aber später durch ein Bild des heiligen Andreas ersetzt. Das obere Bild zeigt die Krönung Mariens. Zwischen den Säulen standen vier Heiligenstatuen, über dem oberen Altarbild die Statue des heiligen Andreas. Die beiden Seitenaltäre wurden um das Jahr 1800 errichtet, links der Marien-, rechts der Herz-Jesu-Altar. 1872 erhielt die Kirche einen Kronleuchter aus Messing. Eine neue Kanzel, Kommunionbank und Beichtstühle arbeitete Bildhauer Splieth aus Elbing im Jahre 1875. Die große, dem heiligen Andreas geweihte Glocke stammt aus dem Jahre 1727, die mittlere von 1604. Eine kleine Glocke hing im Ostgiebel. Nach dem ersten Weltkrieg beschlossen Herr Pfarrer Anton Schulz und mehrere Bauern des Kirchspiels, eine neue größere Kirche zu bauen. Schon früher hatten sie es eigentlich vorgehabt. Es gab aber auch Gegner dieses Planes, die an dem alten Gotteshaus hingen und es erhalten wollten. Da die neue Kirche an der gleichen Stelle erbaut werden sollte, brauchte man zunächst eine Genehmigung für den Abbruch der alten Kirche. Kalksteiner Kirche von Innen Wie stabil der Turm aus festem Eichenholz gebaut war, zeigte sich, als er im Frühjahr 1923 mit einer Winde umgerissen werden sollte. Mit großer Begeisterung hat die ganze Gemeinde beim Abbrechen der alten Kirche, Wegräumen des Schuttes, Anfahren des Baumaterials und Bau der neuen Kirche geholfen. Der Plan für die neue Kirche stammte von Architekt Schönweiler aus Königsberg. Unter seiner Aufsicht ging der Neubau schnell vonstatten. So konnte Bischof Augustinus Bludau schon am Ende 1923 die neue Kirche zu Ehren der heiligen Mutter Anna und des heiligen Apostels Andreas einweihen. Die drei Altäre, viele Bilder, die Kanzel, Kommunionbank und Beichtstühle wurden in die neue Kirche übernommen. Die Heiligenstatuen zwischen den Säulen des Hochaltars entfernte man. Wir Kalksteiner waren stolz auf unsere große helle Kirche, die stets wunderschön geschmückt war, besonders zur Zeit von Schwester Mercedes. Dankbar gedenken wir Kalksteiner unsres gütigen, verehrten Herrn Pfarrers Anton Schulz, der 30 Jahre unser Pfarrer war. Einige Jahre nach dem Kirchbau gab es wieder einen Grund zu feiern. Von Arnsdorf nach Kalkstein wurde eine Chaussee gebaut, deren Einweihung durch Landrat Fischer im neuen großen Krug feierlich begangen wurde. Später folgte der Bau der Chaussee nach Schwenkitten. Auch ein Schulneubau war geplant. Doch dazu kam es nicht mehr. - Das bittere Kriegsende traf Kalkstein sehr hart. Schule, Krug, Molkerei und alle übrigen Häuser des mittleren Dorfes stehen nicht mehr, viele Bauerngehöfte fehlen. Die Kirche wurde schwer beschädigt. An den hinteren Doppeltüren lesen wir heute noch: Heiliger Andreas, bitte für uns. Aus dem einst so blühenden Kalkstein ist ein armes Wapnik geworden.