Niederlausitzer Fundgrube

2.
Ueber den Nuzen der Aufhebung der Gemeinheiten in der Niederlausiz durch einige Beyspiele erläutert.

Abschrift aus "Lausizische Monatsschrift" Mai 1791 Seite 109 – 118
(digitalisiert von Google, abgeschrieben von Bernhard Wagner)


Unter Gemeinheiten verstehe ich hier, eine in meiner Provinz (der Niederlausiz) fast allgemein übliche Einrichtung, von welcher nur einige Dörfer in der Herrschaft Sorau ausgenommen sind. Nach dieser alten, sehr fehlerhaften Einrichtung, liegen die Aeker und sämtlichen Grundstüke der Bauren, so wie ihrer Herrschaften unter einander vermischt; so daß ein Landwirth, um seine Felder zu bestellen, gemeiniglich von einer Grenze der Feldmark bis zu der andern herumschweifen und seine von einander entfernten Stüken aufsuchen muß. Ohnzweifel beabsichtigte man hierbey, eine gewiße Gleichheit für die Besizer. Denn da, wie bekannt, und wie aller Orten, der Boden einer Feldmark, von einem verschiedenen Grade der Tragbarkeit und innern Güte gefunden wurde, so hofte man durch eine solche Vertheilung der Billigkeit zu statten zu kommen, und auf den guten, so wie auf den schlechtern Grundstüken, einem jeden sein Antheil anzuweisen. Allein man erwog dabey nicht, daß der daraus entstehende Nachtheil den beabsichtigten Nuzen weit übertraf. Alle Geschäfte des Akerbaues werden erschweret, der Landmann muß viel Zeit verschwenden, und oft mit seinem Vieh und Zuge von einer Grenze zur andern schleppen. Er kann den Schaden, welcher ihm aus der Hutung seiner Nachbarn entsteht, nie hindern. Seine Grundstüke sind ihm nie so zu nuzen erlaubt, wie er sie nach seiner Einsicht vortheilhafter benuzen würde. Er darf nur solche Früchte darauf erzeugen, als nach der Eintheilung der Felder und nach einer daraus entstandenen Uebung, von der ganzen Dorfgemeinde auf jeden Strich beliebet wird. Alle diese Unbeqvemlichkeiten sind an sich schon bedeutend genung. Allein der Nachtheil, welcher für die Kultur des Akers selbst daraus entstehtet, ist noch viel bedeutender. Waßerleitungen anzubringen, nur das auf den Vertiefungen der Aeker stehen bleibende Waßer fortzuschaffen, wird bey solchen Vermengungen ganz unmöglich. Und wie viel darauf zur Beförderung der Tragbarkeit der Aeker ankomme, darf man Landwirthen nicht erst sagen. Hierzu kommt noch, daß die Anwendung das Ruhrhakens, deßen Gebrauch zur Auflokerung des Bodens so ganz vorzüglich ist, durchaus nicht statt finden kann. Denn wenn zwey, drey, oder höchstens vier Akerbeete neben einander liegen, so ist zum Einkehren oder Umlenken mit dem Zuge und Geschirr kein Raum vorhanden. Es würde in der That lächerlich seyn, wenn man dies Instrument auch auf die breitesten Stüke von 4 oder 5 Beeten bringen wollte, weil das beständige Umkehren nur die Arbeiter ermüden würde, und doch die beyden Randbeete ungeruhrt bleiben müsten. Ueberdies haben wir hier sehr breite Beete von 24 Furchen, welche in der Mitte sehr hohe Rüken bilden. Ein Umstand welcher seiner seits dem Ruhren nicht minder entgegen ist. Da dies Geschäft die Absicht hat, die durch den Pflug gemachten Furchen in die Qveer zu durchschneiden, so würde es ein beständiges Bergan- und Bergabsteigen geben, wobey das Zugvieh es nicht lange aushalten und der Ruhrhaken auch nur sehr ungleich eingreifen könte. Daher auch dies Aker Werkzeug in den meisten Gegenden der Niederlausiz so unbekannt ist, daß der Landmann dorten kaum eine Idee davon hat. Diejenigen Bauren, die nur wenig Land und folglich Zeit haben, daßelbe mit allem Fleiß zu bauen, ersezen die ihnen mangelnde Wohlthat des Ruhrhakens, durch eine dreyzinkige Hake, mit welcher so wie mit einem großen Aufwand sie von Zeit, ihr verrasetes oder keimiges Beete auflokern. – Zu alle dem kommt noch die Unmöglichkeit, die so vortheilhafte Stallfütterung und den damit verbundenen Anbau der Futter Kräuter in dem Maas einzuführen, als es geschehen kann, wenn der Landwirth mit seinen Grundstüken von dem Nachbar unabhängig nach Gutbefinden schalten darf.
Das kräftigste Mittel, den Akerbau in Aufnahme zu bringen, und alle die hier aufgezählten Nachtheile zu entfernen, bleibt dann immer die Aufhebung der Gemeinheiten, und der damit verbundenen Vermengungen der Grundstüke. Dies ist eine Wahrheit, an der wohl heutiges Tages kein verständiger Landwirth mehr zweifeln kann. Allein die Frage: durch welche Mittel sie zu bewürken sey? ist bey der so mannigfaltigen Lage und den nicht minder verschiedenen Umständen der Orte, ein Problam, welches sich durchaus nicht überall leicht und gleich befriedigend auflösen läßt. Das gewaltigste und am schwersten zu hebende Hinderniß ist ohnzweifel das Vorurtheil des gemeinen Mannes. In unserer Provinz hängt derselbe mit einem ganz unglaublichen Starrsinn an allen alten und ihm gewohnten Einrichtungen. Er ist gegen alles, was einer Neuerung nur ähnlich ist, so eingenommen, daß er nicht die geringste Empfänglichkeit für eine Demonstration seines eigenen Vortheils hat, wenn sie auch dem gemeinsten Menschen Verstande aufs deutlichste einleuchtete. Der Gedanke, man beabsichtige damit nur Vortheile auf seine Kosten, ist ihm zu tief eingewurzelt, als daß er der Vorstellung des Gegentheils in dergleichen Fällen Raum geben könnte. Am leichtesten könte ein solches Werk noch an denjenigen Orten zu Stande gebracht werden, wo die Bauern noch in dem Grade der Leibeigenschaft unter ihrem Gutsbesizer stehen, daß selbst ihre Nahrungen und Aeker als Eigenthum des Leztern anzusehen sind, oder wie man hier redet, wo die Bauer-Nahrungen, Laß-Güter sind. Aber auch in diesem Fall, würde der Besizer eines Landgutes noch manches wagen, wenn ihn nicht Landesherrliche Verfügungen unterstüzten.
Der unvergeßliche König Friedrich II. welcher mit väterlicher Sorgfalt für das Wohl seiner Staaten und Unterthanen bedacht war, sahe es ein, wie groß der Vortheil von der Aufhebung solcher Gemeinheiten sey. Er empfahl sie nicht nur durch Edicte seinen Unterthanen, sondern ertheilte auch ein besonderes Reglement, wie es in solchen Fällen gehalten werden solle, und that dabey Alles, was er nur konnte, um sie zu begünstigen. Nach diesem Königl. Reglement sind zur Beförderung eines solchen Geschäftes, folgende allgemeine Maas Regeln vorgeschrieben. Zuvörderst muß das ganze Feld, mit Aekern, Wiesen, Huthungen, Wäldern, und wie die Grundstüke nur heißen, so wie sie in der Grenze eines Dorfes befindlich sind, durch einen rechtschaffenen und geschikten Landmeßer, auf das accurateste vermeßen werden. Man hat zu dieser Absicht bey jeder Preuß. Kammer ganz besonders, geprüfte und vereidete Landmeßer oder Conducteurs angestellt. Diese müßen das Feld nach Morgen, deren jeder 180 Qvadrat Ruthen enthält, aufnehmen und bekommen ihre Arbeit, nach der Zahl der Morgen bezahlt. Die ganze Vermeßung des Gutes aber macht es noch nicht allein aus, der Landmeßer muß auch eine akkurate Charte von dem Gebiet des ganzen Dorfes entwerfen, zu deren Anfertigung ihm einige dazu besonders verpflichtete Wirthschafts- und Aker Verständige zugegeben werden. Diese haben das Geschäft auf sich, die Beschaffenheit der Grundstüke, nach der Güte ihres Bodens zu würdigen, oder nach der Kunstsprache, zu bonitiren. Sie bringen gemeiniglich alle Aeker in drey Claßen, um zu bestimmen, welche guten, mitlern und schlechten Boden haben. Denn das Königl. Reglement giebt Anweisung, daß bey einer Aker Vertheilung nicht blos darauf gesehen werden solle, daß ein jeder eben so viel Land wieder bekomme, als er im Besiz gehabt; sondern auch, daß er es so viel möglich in gleicher Güte und Beschaffenheit wieder erhalte. Da das nun nicht allemal möglich seyn kann, so muß er durch das Mehr oder Weniger dessen was er dafür erhält, schadlos gehalten werden. Unter den hier bemerkten Umständen faßte ein sehr würdiger und einsichtsvoller Cavalier, welcher zwey Land-Güter im Herzogthum Croßen besaß, den Entschluß, auf solchen eine Absonderung der Grundstüke vorzunehmen. An beyden Orten war das Dominium mit den Ländereyen, Wiesen, Huthungen und Heyden der Unterthanen durch und durch vermengt. Die Unterthanen von dem wahren Nuzen seines Vorhabens zu überzeugen, schien anfänglich eine ganz unmögliche Sache zu seyn, und es gehörte viel Standhaftigkeit, Gedult und Nachsicht, aber auch Ernst dazu, die Sache durchzusezen. Liebthal war das erste Gut, auf welchem dieser Plan ausgeführt werden konte. Der Entwurf zur Auseinandersezung der ungeheuren Vermischung war meisterhaft. Die Herrschaft erhielt nach demselben die ganze Mittags Seite der Feldflur, und die Unterthanen wurden auf die entgegengesezte Seite des Dorfes verwiesen. Dieser Theilungs-Plan wurde höhern Ortes nicht nur gebilligt, sondern auch auf deßen Ausführung und Festhaltung sehr ernstlich anerkannt. Dem gemäß suchte nun der Herr des Gutes den ihm angewiesenen Antheil in Besiz zu nehmen; die Unterthanen ihrer seits aber wendeten alle Kräfte an, es zu hindern. Man ließ sich auf der Andern Seite nicht stören, sondern verfolgte seinen Weg mit aller Standhaftigkeit. Indeßen veranlaßte die Wiedersezlichkeit der Unterthanen einen weitläuftigen Proceß, deßen Erfolg kein anderer war und seyn konte, als daß die Unternehmung des Guts Herrn in allen Instanzen gebilligt und die vorgenommene Separation der Aeker bestätigt wurde. Während dem Lauf der Sachen, schikte die Gemeine zu mehrern mahlen ihre Deputirten an den König, um sich über die Aussprüche der verschiedenen Justizhöfe zu beschweren. Man kennet aus den Verfügungen und Anstalten, die der verstorbene König über diesen Gegenstand traf, und wie sie oben kürzlich dargestellt worden, die Gesinnungen dieses großen Monarchen hinlänglich. Da er aber auch mit einem gewißen Mistrauen über die Aussprüche seiner Landes-Collegien wachte, so wies er dergleichen sich beschwerende Unterthanen nie ab, gab selbst oft Befehle an andere Gerichtshöfe, den Gegenstand und die Befugniß der Klage zu untersuchen und darüber zu sprechen. So ging es denn auch hier. Die Sache wurde erst an die Behörde gewiesen und die Bauern mit der jedesmaligen Erklärung entlaßen, daß es mit der Aker Separation sein Bewenden haben müße: sie könten aber versichert seyn, daß sie dabey durchaus nicht zu kurz kommen sollten. Weil nun die Klagen der Liebthaler in allen Instanzen als unbefugt ab- und sie zum Gehorsam angewiesen worden waren, sie aber doch noch vor dem König erschienen und ihre alten Beschwerden wiederholten, so befahl derselbe seinem Groß-Kanzler, dem Herrn von Fürst, daß dieser ihm eine genaue Auskunft von der Lage der Sachen, und von der Beschaffenheit der in Liebthal vorgenommenen Aker Einrichtungen geben sollte. Der Groß-Kanzler entledigte sich dieses Auftrages und überzeugte den König, daß alles auf eine gesezmäßige Art betrieben worden sey. Als nun die Abgeordneten der Gemeine wieder vor ihn kamen, so brauchte der König allen Ernst sie zur Ruhe zu verweisen, und bedrohte sie, daß wenn sie noch weitere Umstände machen, und in der Wiederspänstigkeit fortfahren wollten, so sollten sie nach Spandau gebracht werden. Diese Erklärung machte einen solchen Eindruk, daß sie mit der größten Eil Potsdam verließen, und durch die Erzählung der erhaltenen Resulotion, das ganze Dorf zu dem Entschluß bewegten, die ihnen angewiesenen Grundstüke zu bearbeiten. So gewann der 7 Jahre lang gedauerte Proceß ein gewünschtes Ende. Seit der Zeit gehet dort alles in der schönsten Ordnung. Im Gegentheil erkennen die Unterthanen durch mehrjährige Erfahrung ihren Vortheil aus der neuen Einrichtung aufs lebendigste. Sie können sich derselben nicht genung freuen, und äußern ihrem Herrn den herzlichsten Dank. Ihr Gewinst an mehrern und beßern Getreide, so wie an Fütterung, ist im Vergleich ihres vorigen Zustandes so bedeutend, daß sie sich würklich in einem ehedem ganz unbekannten Wohlstande erbliken. Selbst das vorige Jahr eines außerordentlichen Miswachses, der fast überall den Landmann drükte, gab einen Beweiß davon. Die Liebthaler Bauern hatten zwar auch eine geringere Erndte, wie anderwärts, allein bey dem Allen soviel erworben, daß auch der Geringste wenigstens mit Brod und Futter langte, ohne sich genöthigt zu sehen etwas zu kaufen: da im Gegentheil alle ihre Nachbarn um sie herum, Mangel litten.
Das Dominium hatte seiner seits bey dieser Einrichtung nicht minder sehr bedeutende Vortheile. Ganze Flecke unnüze Hutung wurden in tragbares Akkerland umgeschaffen: Viele sogenannte Scheidlinge oder Reihne, wurden von Hekken und Sträuchern gereinigt und umgeakert, und dadurch die Aussaat fast um die Hälfte erhöhet. Es konnten sonst nur 13 Kühe gehalten werden, die den ganzen Sommer hindurch ausgetrieben wurden und einen sehr unbedeutenden Nuzen brachten. Laut Rechnungen war das Stük zu 3 Rthlr. verpachtet. Gegenwärtig aber werden 50 Stük das ganze Jahr hindurch auf dem Stalle gefüttert, und jedes Stük zu 10 bis 11 Rthlrn. benuzt. Der Kleebau ist hier zu einer solchen Vollkommenheit gediehen, daß nicht die große Zahl der Kühe allein mit diesem gedeilichen Futter ernährt wird, sondern auch die Zugochsen bis auf die Zeit, wenn sie die Stoppeln im Felde beziehen, damit versorgt werden können. Was bey dem Allen an Dünger gewonnen wird, auf deßen reichlichen Vorrath bey einer Landwirtschaft soviel ankommt, läßt sich hier nicht so anschaulich machen. Diejenigen unserer Leser, welche Kenntniße von dem Akerbau haben, werden am deutlichsten bemerken, wie beträchtlich auch dadurch das Feld gewinnen müße.
So sauer es dem würdigen Herrn Besizer von Liebthal wurde, die Landwirthschaft seines Gutes auf einen regelmäßigen Fuß zu sezen: so ließ er sich dennoch nicht abschreken, einen noch weit schwerern Plan, der eine ähnliche Absicht zum Gegenstande hatte, auszuführen. Er erkaufte nehmlich im Jahr 1778. ein noch weit stärkeres Gut, Göhren. Hier gab es nicht nur eine starke, aus mehr als 100 Wirthen bestehende, sondern auch eine sehr Proceßsüchtige Gemeine. Sie war durch fast unaufhörliche Rechts-Händel mit ihrer Gutsherrschaft dermaßen daran gewöhnt, daß sie ohne dergleichen Unterhaltungen gar nicht leben konnte. Der vorige Besizer übernahm zu seiner Zeit das Gut mit 37 gangbaren Proceßen, die meistentheils die erbärmlichsten und unbedeutendsten Gegenstände betrafen. Seiner gutgesinnten und gewißenhaften Gemahlin gelang es, durchaus mit Bewilligung der Forderungen der Unterthanen, 30 dieser Proceße beyzulegen. Mehr aber konnte sie nicht thun. Die übrigen giengen ihren Gang fort, wurden beygelegt und durch neue wieder hinlänglich ersezt. In dieser Verfaßung übernahm der Herr von **, das Gut und die wunderlichsten Köpfe, welche je Unterthanen getragen haben, zugleich. Sie verließen sich bey allen ihren Unternehmungen besonders auf ihre starke Anzahl, und machten aus ihren Maximen und Gesinnungen keine Geheimniß. Man durfte sich nur mit einem von ihnen einlaßen, so erklährte er frey heraus: „Mit uns kann es kein Herr aushalten. Es muß schon weit kommen, ehe jeden unter uns ein Proceß einen Ochsen kostet, Und ehe es dahin kommt, hat der Herr schon hundert Ochsen verlohren.“ – Allein alle diese Aeußerungen schreckten den neuen Gutsbesizer nicht ab, seinen Plan zu verfolgen. Er sahe, daß der wesentliche Vortheil ihn für alle Erduldungen der Bosheit und Hartnäkigkeit dieser Leute hinlänglich schadlos halten würde. So wurde denn bald nach der Uebernahme des Gutes, die zu Johannis 1778. erfolgte, ein Cammer-Conducteur angestellt, der die Vermeßung der Grundstüke besorgen und eine genaue Charte davon entwerfen muste. Sobald die Unterthanen dieses Mannes Geschäfte bemerkten, und von deren Absicht unterrichtet wurden, so ging der Lermen loß. Sie droheten ihn zu steinigen. Weil es nicht gelang, ihn durch Drohungen von seinem Geschäft abzubringen, so machten sie Anstalt Wort zu halten und fingen an ihn zu mishandeln. Man sahe sich genöthigt ihn aufs kräftigste zu schüzen, und die Verwegensten, welche sich an ihm vergriffen, so zu bestrafen, daß er seine Arbeiten ungestört fortsezen und beendigen konnte. Allein nun entstund ein Proceß über die Aeker Separation, der nicht weniger als acht Jahre dauerte, worinnen die Sache von Seiten der Unterthanen so weit getrieben wurde, daß es würklich sehr zweifelhaft schien, ob der Herr Gutsbesizer seinen Endzwek erreichen würde. Selbst die Landes-Collegia, bey welchen die Sache betrieben wurde, gingen sehr behutsam und entschieden äußerst bedachtsam, weshalb denn auch in dieser Rüksicht manche Verzögerung entstund. Man kan ihnen deshalb keinen Vorwurf machen. Das Mistrauen des vorigen Königs, welches er in seinen leztern Regierungs-Jahren gegen seine Justiz-Collegia nur allzuempfindlich äußerte, nöthigte sie wohl zu einem äußerst vorsichtigen Benehmen. Eben als der Proceß in aller Lebhaftigkeit betrieben werden wollte, ereignete sich die weltbekannte und fameuse Geschichte mit dem Müller Arnold. Ohne über diese Begebenheit, die eine so gewaltige Sensation bewürkte, hier zu urtheilen, kann man doch nicht bergen, daß solche auf das Göhrensche Aker Theilungs-Geschäft einen sehr nachtheiligen Einfluß hatte. Die hartnäkigen Bauren bildeten sich nun ein, daß sie nichts beßers thun könten, um den Plan ihrer Herrschaft zu hindern, als wenn sie eben den Weg einschlügen, den Arnold ergriffen hatte. Sie schikten Deputirte über Deputirte an den König, und überreichten Vorstellungen die von nichts, als von drükender Ungerechtigkeit und Gewalt redeten. Wenn der König nach Schlesien reisete, so konnte man mit Gewisheit darauf rechnen, daß die Göhrenschen Bauern ihn nicht bey Croßen vorbey laßen würden, ohne ihn auf ihre Art anzusprechen, und mit ihren alten Jeremiaden zu unterhalten. Sie spielten sogar in den lezten Jahren des Proceßes bey Gelegenheit einer solchen Durchreise des Königs auf dem Anger vor Croßen eine recht ärgerliche Komödie. Die ganze Gemeine und mit ihr viele Weiber und Kinder wurfen sich in Bettlers-Lumpen, und wollten den Monarchen anreden, daß sie ihre Herrschaft um Haab und Gut gebracht habe. Der ganze Haufe schrie um Erbarmung und Gerechtigkeit. Ihr Betragen veranlaßte immer neue Untersuchungen und Commißionen, und bewog die hohen Landes-Collegia dem Herrn Guts-Besizer sogar zu rathen, er möchte lieber vor der Hand seinen Plan aufgeben. Allein dieser würdige Mann, welcher sich der Gerechtigkeit der Sache zu gut bewußt war, und leicht absehen konnte, daß ein Aufschub hier so gut als ein völliges Aufgeben des ganzen Planes sey, blieb seiner seits zum Bewundern standhaft. Erzwingen konnte er zwar nichts, doch brachte er es dahin, daß in der Sache fortgearbeitet wurde. Nachdem solche durch alle Instanzen durchgeführt worden war, erfolgte endlich die leztere und alles entscheidende Sentenz unter dem 21. Febr. 1785. worinnen die bestrittene Aker Separation nach den sorgfältigsten Bestimmungen schlechterdings anbefohlen wurde. Allein die Bauren waren nicht zu bewegen, solcher Gehorsam zu leisten. Bald nach erhaltener Sentenz wurde dem Herrn Guts-Besizer das ihm gebührende Feld angewiesen und solches von dem Felde der Bauren durch eine aufgeworfene Linie und Graben abgesondert. Man beschied diejenigen Bauren, welche durch Vertauschungen der Grundstüke dabey intereßirt waren, vor eine Commißion, der das Geschäft, die Sentenz in Ausübung zu bringen, aufgetragen war. Allein sie weigerten sich zu kommen, und die neuen Felder in Empfang zu nehmen. Man sahe sich also genöthigt, Zwangs-Mittel zu gebrauchen, um nur einiger maßen den Auftrag zu vollenden, und jedem seinen Antheil bekannt zu machen. Nun liefen sie insgesamt über 100. an der Zahl, nach einer geheimen Verabredung, zu einer Stunde mit Haken und Schaufeln hinaus, und warfen den obgedachten Graben oder die Theilungs-Linie wieder zu. Nach einem solchen Schritt muste man das Aeuserste von ihrer Bosheit erwarten, und zu nachdrüklichern Maasregeln greifen. Ein starkes Commando vom Militär rükte in dem Dorfe ein. So wie die Bauren den Ernst sahen, so verließen alle Wirthe das Dorf und ließen blos die Weiber und Kinder zurük. Sie schlugen sich auf den benachbarten Sächsischen Dörfern herum und bewürkten durch ihre Vorstellungen bey den der Sache unkundigen Nachbarn eine sehr unangenehme Sensation. Man konnte das auf keiner Seite gleichgültig ansehen, und muste folglich von Seiten einer Königl. Neumärlischen Regierung zu Küstrin und der Churfürstl. Sächsischen Regierung zu Lübben gemeinschaftliche Verfügungen treffen. Leztere befehligte ihre Unterthanen, die Göhrenschen Bauern durchaus fortzuschaffen und wenn sie sich betreten ließen, auch auf Verlangen nach Göhren auszuliefern. Es währete wohl ein halbes Jahr, daß die Exekutions-Truppen in dem Dorfe bleiben musten. Die Arbeiter auf den Herrschaftlichen Feldern konnten durch ihre Bewachung sicher seyn. Die Bauern ließen die ihnen angewiesenen Grundstüke wüste liegen. Endlich hob man drey der vorzüglichsten Rädelsführer auf, und brachte sie auf 3 Jahr nach Küstrin als Bau-Gefangene. Bis jezt hatten die Bauern noch nicht geglaubt, daß man bis zu Leibesstrafen schreiten könte und würde: denn die höchste Züchtigung welche man bisher auf ihre ärgsten Ausschweifungen sezte, bestund in einigen Tagen Arrest. Da sie nun von dem Gegentheil überzeugt waren, auch ganz bedeutende Exekutions-Gebühren aufgelaufen sahen, deren Bezahlung ihnen zur Last fiel, so fing ihnen allmählig an bange zu werden. Ein Theil war geneigt sich zum Ziel zu legen, wurde aber von einem noch zahlreichern überstimmt, welcher in seiner Unbesonnenheit die Sache aufs äußerste zu treiben fortging. Da die Erstern ihre Mitbauern auf keine Weise überzeugen konnten, daß es nun die höchste Zeit sey, sich zum Ziel zu legen, so thaten sie, was sie längst unter diesen Umständen hätten thun sollen. Sie kamen einzeln, und erklärten, daß sie sich nunmehr den Gesezen und ihrer Obrigkeit unterwerfen, auch fernerhin an alle dem, was die übrigen etwan dagegen vornähmen, keinen Antheil haben wollten. Sie wurden nun von den Beschwerden und Kosten der Exekution auf einmahl frey, und erduldeten blos einige Unannehmlichkeiten von der Gegenparthey. Da aber ihrem Beyspiel immer mehrere folgten, so hörte auch dies in Kurzem auf, und es kam endlich dahin, daß selbst die hartnäkigsten nachgaben; und so wurde im Jahr 1786. die ganze Sache glüklich beendigt.
Gegenwärtig sind diese Leute von ihren Vorurtheilen völlig geheilet, und wundern sich über ihre Thorheit, die sie in solche Unruhe und Noth brachte. Sie finden, daß sie an den erhaltenen neuen Aekern nicht nur keinen Schaden, sondern gröstentheils sogar Vortheile erlangt haben. Das Zutrauen zu der redlichen und guten Gesinnung ihrer Herrschaft ist allgemein. Auch ihr sittlicher Character hat gewonnen; sie sind gehorsam und nachgebend, so daß man nie mehr von ihnen dergleichen Hartnäkigkeit und Unbesonnenheit zu fürchten haben wird.
Der Herr Guts-Besizer versicherte seiner seits, daß, ob ihm zwar wegen anderweitiger Eintheilung der Aeker, die während der Exekution der Sentenz noch unternommen wurde, so wie wegen der Umarbeitung der Beeten im Felde, die eine regelmäßigere Richtung erhalten musten, viel Mühe und Kosten verursacht worden, so habe er dennoch das Gut in seinem Ertrage um ein sehr ansehnliches erhöhet. Die schädliche Inconvenienz, die er sonst bey der zerstreuten Aker Bestellung auf sich hatte; so wie der bedeutende Schaden, welchen das schändliche Hüten des Viehes am Strike, mit dem man alle Winkel und Furchen durchkroch, leiden muste, ist nun völlig aufgehoben. Aber noch ist dieser Gewinn lange nicht der wichtigste. Man konnte ehedem 24 Stük Kühe nur kümmerlich das Jahr hindurch mit Gras aushalten. Jezt hingegen werden bereits 40 Stük mit Klee gefüttert, von welchen das ganze Jahr hindurch 30 im Stalle bleiben können. In weniger Zeit, wenn das neu angelegte Vorwerk im Felde ganz fertig seyn wird, soll diese Anzahl noch mit 40 Stük vermehret werden, welche ihren Stand auf dem gedachten Vorwerk erhalten werden. Zu dem allen kommt noch eine Verstärkung der Aussaat von 170 Berliner Scheffel, welche durch Urbarmachung wüster Fleke bewürket worden ist. Die Vermehrung der Wiesen und die Verbeßerung des Graswuchses ist nicht minder von Bedeutung. So fielen zwar bey der Separation die entferntesten und schlechtesten Wiesen auf das Antheil des Dominiums, damit alle Grundstüke in einem Strich zusammen gebracht werden konnten. Allein schon gegenwärtig sieht man es diesen Wiesen nicht mehr an, daß sie die schlechtesten gewesen sind. Ein großer Theil derselben war ein unnüzer Sumpf mit Sträuchern bewachsen. Der Herr Guts-Besizer verschafte diesem großen Flek durch Ziehung mehrerer Graben Trokenheit, rodete die Sträucher aus, und legte Schleusen an, durch welche er das Wasser nach Belieben auffangen, seine Wiesen bewäßern und sobald es nöthig ist, wieder abfließen laßen kann. Ein anderer Theil dieser Wiesen, der höher lag, war zu dürre und unfruchtbar. Er wurde durch alten Dünger, Schor-Erde, und Asche verbeßert. Auch den Urin von dem Viehe lies man in Cisternen, die in den Ställen angelegt sind, auffangen, und mit gutem Erfolg zur Düngung der unfruchtbaren Wiesen anwenden. Die Methode mit der hier verfahren wird, ist ganz einfach. Ein dazu eingerichtetes Faß und ein Schlauch sind die Werkzeuge, vermittelst welchen man zu jeder Jahres Zeit, den Urin über die Wiesen vertheilt. Der Erfolg dieser Düngung ist ganz vortreflich, indem man findet, daß das schönste und fetteste Gras darnach wächset. Alle diese Vortheile sind so einleuchtend und bedeutend, daß wohl niemand an dem Nuzen der dortigen Einrichtungen zweifeln kann. Es ist wahr, daß der Herr Besizer des Gutes mit unzähligen Unannehmlichkeiten zu kämpfen hatte, ehe er seine Absicht erreichen konnte. Allein um destomehr ist seine Standhaftigkeit und Muth, ohne die er nie zum Ziel gekommen wäre, zu loben. Ich bin überzeugt, daß die erzählten Thatsachen, von deren Wahrheit man sich an Ort und Stalle noch viel lebendiger überzeugen kann, als es durch die hier gelieferte kurze Beschreibung zu thun möglich ist, auch dem hartnäkigsten Vorurtheil wieder die Aufhebung der Gemeinheiten und Aker Vermischungen, seine Kraft benehmen muß. Und das um soviel mehr, da die wirthschaftlichen Einrichtungen, welche man auf den beschriebenen beyden Gütern antrift, ganz practisch und überall anwendbar sind. Es beruhet hier nichts auf Künsteleyen, an welchen unser Zeitalter im Oekonomischen Fache sehr reich ist, sondern blos und allein auf ganz einfachen Grundsäzen die auf die bestmöglichste Benuzung der Lokalität hinführen. Ich kann nicht umhin zum Schluß den Patriotischen Wunsch zu äußern: daß doch die Herren Guts-Besizer unserer Provinz, zu ihrem eigenen sichern Vortheil, auf ähnliche Einrichtungen Rüksicht nehmen möchten! Es würde um so leichter geschehen können, da bey uns die Leibeigenschaft noch statt findet. Man dürfte dabey schwerlich solche Hinderniße und Schwierigkeiten von Seiten der Unterthanen befürchten, als der Herr Besizer der beyden Brandenburgischen Güter Liebthal und Göhren, wo lauter eigenthümliche Bauer Wirthschaften anzutreffen waren, zu überwinden hatte. Doch muß und kann man voraus sezen, daß unsre Regierungen in solchem Fall auch dafür sorgen würden, daß dergleichen Einrichtungen unter gehöriger Aufsicht und Vorschrift unternommen werden müßten, um alles Willkührliche und die daraus entstehenden Unordnungen dabey zu vermeiden.
E.