Niederlausitzer Fundgrube

Karl Zagora
In: Kulturspiegel des Kreises Finsterwalde (März 1960)
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Geschichte der ehemaligen Doberluger Glashütte (Luisenhütte)

1. Bau und Eröffnung der Hütte

Im Jahre 1817 begab sich der Inspektor der Glashütte Zechlin bei Rheinsberg, George Hartwig Gerke, in die preußisch gewordenen Niederlausitz, um die 1709 von August dem Starken als Spiegelfabrik gegründete Glashütte „Friedrichsthal“ in Kostebrau, Kreis Senftenberg, käuflich zu erwerben. Eigentümer der Hütte war der preußische Fiskus, dem sie nebst andern kursächsischen Besitzungen nach dem Entscheid des Wiener Kongresses 1815 zugefallen war.

Als Käufer trat neben Gerke der dortige Hütteninspektor Roscher auf, dem die Hütte schließlich zugesprochen wurde. Gerke war darüber sehr enttäuscht. Als er auf einer Reise im Doberluger Forst unweit des Vorwerks „Forst“ eisenfreien Quarzsand entdeckte, entschloß er sich, das Gelände zu pachten und dort eine neue Glashütte zu errichten. Nach Einholung der Bauerlaubnis begann er mit dem Bau.

Zahn weiß in seiner „Chronik von Kirchhain und Dobrilugk“ (Kirchhain 1926) über den Bau und die Eröffnung der Hütte folgendes zu berichten:

„Im Frühjahr des Jahres 1819 wurde hier beim Forst eine Glashütte erbaut; der Besitzer derselben hieß Gerke. Die Hütte selbst sowie die Wohnhäuser und die Stallung wurde noch im genannten Jahr vollendet. Am 20. Februar 1920 fand die Einweihung der Hütte statt, es war dies eine heitere Festlichkeit. Die Bewohner der ganzen Umgegend waren herbeigeströmt und auch die Behörden beteiligten sich an dieser Feier. Musik wechselte mit Gesang, worauf Rektor Vogel aus Dobrilugk eine Rede hielt. Alsdann fertigte man eine Stunde Glas, welches an die Gäste als Andenken verteilt wurde. Mit einem Mahle und darauffolgendem Tänzchen endigte die Feier. Die Glasarbeiter waren aus Böhmen und fertigten ein sehr schönes Fabrikat.“

2. Die Produktionsweise

Die Hütte, die bei der Einweihung den Namen „Luisenhütte“ erhielt, war eine Glasmanufaktur, in welcher nach dem damaligen Stand der Produktivkräfte alle Arbeiten mit Menschenkraft (Muskel- und Lungenkraft) ausgeführt wurden.

Die Glasöfen wurden mit Holz geheizt. Da die Hütte zwei Öfen besaß und das Feuer in diesen Tag und Nacht unterhalten werden mußte verbrauchte sie ungeheure Holzmengen. Nach Angaben der Hütte Baruth wurden pro Ofen 3000 Klafter Scheitholz im Jahr benötigt. Das sind auf unsere Maße umgerechnet 10000 Raummeter. Wenn wir bedenken, daß auf dem kiesigen Boden der Tröbitzer Platte, auf welcher die Hütte stand, ein achtzigjähriger Kiefernwald etwa 250 Raummeter Holz ergab, so waren 40 ha Kiefernwald nötig, um den jährlichen Holzbedarf eines Glasofens zu befriedigen. Da die Hütte zwei Glasöfen hatte, hat sich diese Zahl verdoppelt. Die Wirtschaftsexperten haben aus diesem Grunde die Glasöfen als „Holzfresser“ bezeichnet und ihre Stillegung gefordert. Das war in Preußen bis zu dieser Zeit zum größten Teil schon geschehen. Von den bedeutenderen Glashütten existierten nur noch die Hütten Zechlin und Baruth. Einige, darunter die berühmte „Christallinen Hütte“ in Potsdam, hatten schon im 18. Jahrhundert ihren Betrieb eingestellt. Nur in der Niederlausitz mit ihren, wie es damals schien, unermeßlichen Holzreserven, war das Glashüttengewerbe am Anfang des 19. Jahrhunderts noch in voller Blüte.

Die Heizung der Öfen erfolgte durch Nachschieben der Holzscheite in eine offene, herdartige Feuerstelle, so daß sich die erzeugte Hitze auf den gesamten Hüttenraum übertrug und das Arbeiten in diesem außerordentlich erschwerte. Zedler schildert in seinem bekannten Lexikon von 1750 die Arbeitsverhältnisse in einer solchen auf Holzfeuerung beruhenden Glasmanufaktur wie folgt:

„Es ist in denen Glas-Hütten, zu Mahl wer es nicht gewohnet, eine so unerträgliche Hitze, davon man Kopff-Schmertzen und andere Zufälle gar leichtlich bekommen kann; und werden daher die daselbst benöthigten Oefen, sonderlich der erste (der Glasofen) gar offters von solcher grausamer Hitze wandelbar (d. h. sie zerfallen dabei).“ Obwohl die Glasarbeiter besser bezahlt wurden als andere Arbeiter, wurden sie von diesen nicht beneidet. Die Arbeitsverhältnisse waren mit ein Grund, weshalb die deutschen Glashütten bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das ist bis zur Industrialisierung des Glashüttengewerbes, auf österreichische (böhmische) Glasmacher zurückgeifen mußten.

Auf einen Einspruch Roschers, der die Konkurrenz der Luisenhütte fürchtete, mußte sich Gerke verpflichten, daß in seiner Hütte nur „Kristallglas und andere feine geschliffene Gläser gefertigt werden sollten, welche den vorzugsweise auf Tafelglas bestehenden Glasprodukten der Hütte Friedrichsthal keine Konkurrenz machen würden.“ (Nach einer Kostebrauer Chronik).

Die Produktion der beiden Hütten wurde schließlich in einer Bekanntmachung des Kgl. Oberbergamtes in Berlin vom 2.8.1820 genau abgegrenzt. In dieser wird bekanntgegeben, daß in Doberlug „alles weiße Hohlglas, wie Kreideglas, Kristall- und Flintglas (optisches Glas), gefärbtes Glas, Rubinglas, Glasmosaik mit und ohne Schleiferei, mit Vergoldung, Malerei usw., ferner Gefäße für chemische Zwecke bis zum größten Maßstab, Sandflaschen und dgl. gefertigt werden.“ In Friedrichsthal hingegen „lediglich Tafelglas, Salinentafelglas von ganz weißer Farbe, gefärbtes Scheibenglas, Übersetzungsglocken, Laternenglas, Medizinglas in weiß, halbweiß und grün, sowie grünes, gelbes und schwarzes Bouteillenglas (Flaschenglas)“.

Gerke war mit dieser Abgrenzung der Produktion sehr zufrieden, zumal er nach der Schließung der Brandenburger Hütten in Preußen außer Zechlin und Baruth keine größere Konkurrenz mehr zu befürchten hatte. Wie erwähnt, nahm er die Produktion am 20.2.1820 auf. Die Belegschaft belief sich damals auf 20 Mann. Dazu kamen noch einige Facharbeiter für die Veredelung der Glaserzeugnisse, wie Schleiferei, Vergoldung, Bemalung u. dgl. Woher diese stammten, ist nicht bekannt.

3. Zusammenbruch des Unternehmens und seine Ursachen

Als Roscher sah, daß die Produktion der Luisenhütte anlief, erklärte er sich bereit, vom Kauf der Hütte Friedrichsthal gegen eine monatliche Rente von 50 Talern zurückzutreten. Gerke griff sofort zu und erwarb die Hütte mit allen ihren Rohstoff-, Brennholz- und Warenvorräten für die Summe von 25700 Talern. Da er nicht so viel Geld besaß, zahlte er nur 9000 Taler an. Für den Rest, das ist für fast 2/3 der Kaufsumme, unterschrieb er Wechsel, zahlbar in mehreren aufeinander folgenden Terminen. Bei den guten Preisen, die die Luisenhütte für ihre Waren erzielte, glaubte er, seine Verpflichtungen mit Leichtigkeit nachkommen zu können.

Doch er sollte sich irren. Es traten Umstände ein, die ihm schon die Einlösung des ersten Wechsels unmöglich machten.

Bald nach dem Erwerb der Hütte Friedrichsthal stellte sich heraus, daß die Vorräte an reinem Quarzsand im Doberluger Forst nur gering waren und sich bald erschöpften. Versuche mit anderem Sand ergaben nur minderwertiges, flaschengrünes Glas. Da er in der ganzen Niederlausitz keinen geeigneten Sand fand, sah er sich gezwungen, diesen von Freienwalde bei Frankfurt (Oder) einzuführen. Durch den weiten Transport, der per Achse erfolgte, hat sich die Produktion der Luisenhütte beträchtlich verteuert.

Zu gleicher Zeit setzte eine Verteuerung des Feuerungsmaterials ein, durch welche die Selbstkosten beider Hütten stiegen und die Produktion immer unrentabler gestaltet wurde. Als Gerke die Luisenhütte eröffnete, kostete eine Klafter Scheitholz bei der Domäne Doberlug einen Taler und fünf Groschen (1 Taler = 24 Groschen). Das machte bei 3000 Klaftern etwas mehr als 3640 Taler aus. Diese Summe hatte Gerke in die Produktionskosten einkalkuliert. Nach wenigen Jahren schon hatten sich die Preise verdoppelt und schließlich verdrei- und vervierfacht. Gerke glaubte an ein kommendes Sinken der Holzpreise und gab sein Unternehmen nicht auf.

Doch der preußische Fiskus war ein harter Gläubiger. Er drohte mit Subhastation (Zwangsverkauf) beider Hütten, wenn er seine Schulden nach drei Jahren nicht bezahlen würde. Als die Frist verstrichen war, wurden die Hütten unter Zwangsverwaltung gestellt und der Besitzer ins Schuldgefängnis (Wechselarrest) geworfen. Gerke mußte lange Jahre im Gefängnis schmachten.

In seiner Abwesenheit brach zu allem Unglück auf der Luisenhütte noch die Cholera aus, welcher die meisten böhmischen Glasmacher erlagen. Das war im Jahre 1831. Bis es dem Verwalter gelang, neuer Fachkräfte in Böhmen anzuwerben, verging ein Jahr, in welchem die Produktion fast ganz aussetzte.

Die lange Haft hatte die Gesundheit Gerkes untergraben, so daß er krank und bettlägerig wurde. 1834 wurde er schließlich für haftunfähig erklärt und aus dem Gefängnis „bedingungsweise“ entlassen. Er mußte versprechen, alles daranzusetzen, um Geld zu verschaffen und die Kaufschulden zu bezahlen. Dazu ließ man ihm sieben Jahre Zeit. Doch inzwischen haben die weiter ansteigenden Holzpreise die Produktion völlig unrentabel gemacht. Im Jahre 1841 trat das Unabänderliche ein: die Versteigerung beider Hütten wurde angesetzt.

4. Stillegung der Luisenhütte

Zu der Versteigerung war nur sein nächster Konkurrent, Graf Solms – Baruth, der Besitzer der größten Glashütte in der Mark Brandenburg, erschienen. Diesem wäre es ein leichtes gewesen, für beide Hütten eine angemessene Summe zu bieten. Gerke hätte dadurch wenigstens seine Schulden bezahlen können. Doch das tat Graf Solms nicht. Er handelte nach dem „Wolfsgesetz“ des Kapitalismus, wonach der Stärkere den Schwächeren zuerst ruiniert, um dann seinen Besitz zu verschlingen. Der „Schlotbaron“ bot für die Hütte Friedrichsthal die unglaublich geringe Summe von 1000 (eintausend) Talern. Da kein anderer Interessent da war, fiel sie ihm für diesen Spottpreis auch zu. Für zwei Torfstiche bei der Försterei „Grünhaus“ (jetzt Ortsteil von Finsterwalde) zahlte er mehr, nämlich 1300 Taler. Mit dem Torf wollte er Heizversuche in Friedrichsthal und Baruth durchführen, um günstigenfalls das teure Holz durch den billigeren Torf zu ersetzen. Dabei sei bemerkt, daß ihm das nicht gelungen war. Versuche mit Braunkohle endeten mit dem gleichen Mißerfolg.

Für die Luisenhütte zeigte der Graf kein Interesse, so daß diese an den Staat fiel. Sie erhielt den Namen „Staatliche Glashütte Dobrilugk“ und war als solche noch einige Jahre in Betrieb. Um 1845 wurde sie stillgelegt. Bald darauf wurde das Vorwerk „Forst“ aufgelöst und aufgeforstet. Da die Hüttengebäude den Aufforstungsarbeiten im Wege standen, wurden sie 1851 auf Abriß verkauft. Nur eins davon blieb noch einige Jahre als Altersheim erhalten. Dann wurde auch dieses abgerissen. Heute erinnert nur noch ein Steinhaufen in der Nähe der Baumschule bei der Försterei „Forst“ an die Luisenhütte und ihre Geschichte.

1856 wurde von Siemens der „Siemenssche Regenerativ-Ofen“, ein Spezialofen für Kohlenfeuerung in den Glashütten, konstruiert. 1870 wurde diese Konstruktion in Friedrichsthal und in demselben Jahr auch in den anderen Lausitzer Glashütten eingeführt. Das Holz hat damit aufgehört, Standortfaktor für die Glasfabrikation zu sein. An seine Stelle trat die Braunkohle, mit deren Hilfe sich die Glasmanufakturen in wenigen Jahren zu modernen Glasfabriken umwandelten. Dazu kamen zahlreiche industrielle Neugründungen, zu denen unter anderen die um die Jahrhundertwende erbauten Glashütten Schönborn und Massen – Finsterwalde gehören. Die Glashütte Schönborn liegt nur wenige Kilometer vom Standort der ehemaligen Luisenhütte entfernt. Man kann annehmen, daß sich letztere unter den neuen Bedingungen ebenfalls zu einem industriellen Unternehmen entwickelt haben würde, wenn sie noch ein Vierteljahrhundert bestanden hätte.

Zag