|
Niederlausitzer Fundgrube
Der Heimatwanderer Nr. 12 / 1926
Die „Dorfleier“.
Lehrer Grasse, Werenzhain.
In der Spinnstube surren die Räder. Recht schnell soll die Spule voll werden, damit die Zeit zu Spiel und Tanz bleibt. Aber ebenso unaufhörlich bewegt sich das Mäulchen. Was es da alles zu erzählen gibt! Von Nachbarsch Michel und uns´ Paster sine Kuh! Von jedem im Dorfe weiß man was zu sagen. Und irgend ein Spottvogel kommt da auf den Gedanken: Jetzt machen wir mal von jedem einen Vers. Da haben wir die Dorfleier.
Zu allen Zeiten wohl hat es solche Leiern gegeben. In den meisten Dörfern leben sie noch. Sie werden der Neuzeit entsprechend abgeändert, vielleicht ganz neu aufgebaut: die Spottlust braucht eine Zielscheibe; und die ist nicht immer gleich. Aber jede Dorfleier gibt uns ein Bild des Dorfes zur Zeit ihrer Entstehung, sie ist ein Teil der Dorfchronik. Und vor allem: in ihr finden wir fast immer noch die alten Torsaul-(Wirtschafts-)namen, die heute im Verschwinden begriffen sind. Sie müssen aber festgehalten werden.
Wahrscheinlich sind alle Dorfleiern sehr ähnlich. Hier ist eine, die um 1850 entstanden sein mag:
Krieersch (Krügers) Hus iß hochjeborn,
Bauschreibersch hon ´ne aale Sau jeschorn,
Neimillersch machen Jritze,
Jrauboarts sin nischt nitze,
Ulrichs backen blauet Brot,
Joersch Mutter schlett n´ Diebel dot.
Jitten broat´n ene Ente,
Pawels lärn n´ Stickchen Putter ran, daß se nich verbrennte.
Borcherts läen in ´n jrien´n Jrund,
Jreersch hon ´n bunt´n Hund.
Hussigs Zimmermann
schlett Krutz de Latt´n nich richtig an.
Hert´n wohn´n ant Ende,
Schmelzersch hon besch..... Lend´n.
Hedemillersch metz´n.
Lehmis plätz´n.
Steffels Heedeknecht. (?)
Michels Christ´ beschickt sien´ Acker schlecht.
Bänisch hon sehre vill Miese.
Ornpoahls fang´n se mit die Riese.
Jens hon sehre vill Klickbeer´n,
Jallenschmedts kenn´ sich de Diebe nich erwehr´n.
Ortwoahls schloan Öal (Oel).
Moahls Krusselkopp
kriecht in Langmanns Soahntopp.
Schilersch und Hensels backen sehre vill Käse,
der Schulmeester kann se nich erschrieb´n noch erläs´n.
Heefts hon ´n blessig (P)Ferd,
Kuligks sin nich drei Heller wert.
Hillen hon ´n schwarzen Rappen,
Strauchs kenn´ de Liese nich erknappen.
Schwoatz Rochhus,
Flämis Schmochhus.
Räsen Schwieneschwanz,
Meiersch Bießhans.
Fuhrmeß schlacht´n ´n Kalb,
Nurbs nehm´t halb,
Jroßen nehm´t Jekreese,
Loads Peter iß drebber beese,
Nooks nehm´ ´n Kopp
Zelkens stech´n ´n Topp.
Keckerts hon sehre vill Sperlingsdreck,
Tischersch fressen se n´ janzen Hersche (Hirse) weg.
Jinter hat sin´ Wien lieb,
Lexer verjocht ´n Wiendieb,
Ließ hon keen´ Born,
Melchersch hon de Schiene voll Korn.
u.s.w.
Wo gibt es noch solch alte Dorfleier?
Sendet sie der Schriftleitung.
|