Niederlausitzer Fundgrube

Der Heimatwanderer Nr. 8 / 1931

Dorfordnung von Golzig vom Jahre 1704
(Veröffentlicht von Lehrer Kulke-Kasel-Golzig.)
Quelle: Acta Gemeinde zu Goltzig contra Hanuß Ernsten von Schlieben
alda in unterschiedenen Puncten.
(Ständ. Archiv Lübben Aktenstück Nr. 377.)

Zur Zeit, als die Gutsbesitzer die Gerichtshoheit in den Dörfern noch hatten, erließen sie Dorfordnungen, die für die Untertanen (Dorfbewohner) geltendes Recht waren. Eine solche Dorfordnung für Golzig aus dem Jahre 1704 veröffentliche ich nachstehend:

Goltzische Dorff Ordnung.
1.
Soll ein ieder derer hiesigen Unterthanen und denen so sich wesentlich hier aufhalten, es seyn Männer, Weiber, Kinder oder Gesinde den Gottesdienst es sey an Sonn- oder Festtagen fleißig besuchen und solchen ohne große und erhebliche Ursachen nicht versäumen, auch an solchen Tagen niemandt weder mit Gespann noch mit der Hand einige verbothene Arbeit thun, bey Straffe 12 Sbgr. mit Gespann und 6 Sbgr. von der Handtarbeit und soll solche Straffe der Kirchen allein zukommen, und soll hiernebenst, dem so solche Verbrecher bey der Obrigkeit anmeldet von ieder Person 2 Sbgr. und denen Gerichten (der Richter und die Schöppen bildeten die „Gerichten“, Richter und Schöppen wurden von der Obrigkeit (Gutsbesitzer) aus der Zahl der Untertanen ernannt und mußten die gegebenen Befehle ausführen.) auch 2 Sbgr. gegeben werden.
2.
Die Eltern sollen ihre Kinder ins Gesambt fleißig zur Schulen halten, damit Sie in Gottes Wort und ihrem Glaubens Grunde wohl informieret werden, welche Eltern solches vorsetzlich unterlaßen, von denenselben sollen die Gerichten wegen ieden Kindes 12 Sbgr. straffe abfordern und solche straffe bis zu der Obrigkeit weiterer Anordnung bey sich behalten, denen Gerichten aber soll vor Ihre Mühe 2 Sbgr. erleget werden.

3.
Es soll niemandt keine Gotteslästerliche und ärgerliche reden, fluchen, schweren und Gottes Nahmen misbrauchen noch sich der Zauberey befleißigen, sich auch männiglich aller Dieberey, Unzucht, hurerey, Spielen, Schlagen und Balgens gäntzlich enthalten, wer dergleichen höret oder sonst erfähret und der Obrigkeit anzeiget, soll dafür 2 Sbgr. und die Gerichten auch 2 Sbgr. von dem Verbrecher empfangen und soll der Verbrecher über dis nach befinden entweder an Gelde gestraffet oder mit scharffer Leibes Straffe beleget werden, wie denn die Gerichten auf dergleichen Verbrecher fleißig acht haben und bey hoher straffe keinen übersehen sollen.

4.
Der Krüger soll allemahl richtig Maas halten und das Bier und Brandtwein nicht verfälschen. So es geschehe, soll Er denen Gerichten 2 Sbgr. geben und der Herrschaft mit 12 Sbgr. straffe verfallen seyn.

5.
Die Gerichten sollen alle Monat herumb gehen und die Feuerstädte fleißig besehen, bei welchem einige Gefahr befunden wirdt, derselbe soll denen Gerichten das 1ste mahl 4 Sbgr. das andere mahl, da es nicht gebeßert worden, doppelt und das 3te mahl drey fach bezahlen, da auch durch dergleichen Gefahr und nachläßigkeit einiger Schaden dem Nachbar oder sonsten iemanden verursachet würde, soll der Jenige von dem solche herrühret, den Schaden ersezen, oder da er es nicht in Vermögen hätte, an Leibe gestraffet werden.

6.
Wie denn zu mehrer Verhüttung solcher Gefahr und schadens niemand bey Kühn oder sonsten bey lichte Dreschen oder bey der Nacht mit dem Feuer gefährlich umbgehen, weniger in Scheunen, Ställen oder Hoffe, Toback rauchen soll, wer solches thut oder darüber betroffen wirdt, soll der Obrigkeit 1 Rchsth. Straffe erlegen auch Richter und 2 Sbgr. geben und solchen Richter und Schöppen hierauf, und daß in oder nahe bey denen häusern kein Futter noch dürre Reißicht geleget, weniger dieselben gar damit versezet werden, fleißig achtung zu geben haben, und da Sie dergleichen gewahr werden, der Obrigkeit so fort anmelden, damit die Verbrecher zu gehöriger Straffe gezogen werden können.

7.
Ist ein ieder Wirth, Er sei Bauer, Coßät oder Büdner eine gute starke Leiter, Laterne und einen Feuer Eymer auf seinem Hoffe zu halten verbunden, und haben die Gerichten, bey Besichtigung der Feuerstädte hiernach absonderlich zu fragen, gestalt denn auch die Gemeine über dis auf Ihre Unkosten ein paar starcke eyserne Feuerhaarken und zwey Leitern verfertigen und beym Richter anhängen laßen sollen, damit bedürffenden falls ein Jeder sich derselben bedienen könne.

8.
Wenn auch (da Gott vor sey) Feuer im Dorfe auskähme, Soll ein Jeder Wirth mit einer Leiter und Waßergefäß darzu eylen und leschen zu helffen verbunden seyn, welcher solches nicht thut, Soll der Obrigkeit 1 Rchsthl. zur Straffe und Richter und Schöppen 2 Sbgr. geben, dahingegen diese mit Fleiß hierauf achtung haben oder wiedrigen Falls wegen ihrer hierunter gebrauchten Nachläßigkeit selbst nachdrücklich bestraffet werden sollen.

9.
Wenn auf Befehl der Obrigkeit oder sonsten die Gemeine zusammen zufordern nöthig, soll ein Jeder, nachdem Ihme solches vom Richter angedeutet wirdt, da er einheimisch und nicht über Feldt verreyset ist, zum Längsten in einer halben stunde ohnfehlbar erscheinen, welcher außenbleibet, soll denen Gerichten 1 Sbgr. Straffe alsofort erlegen.

10.
Wenn von Pferden oder Rind Vieh schaden in der herrschaftlichen Saat oder im Winter oder Sommer Getreyde, Ingleichen in verbothenen Wiesen oder an neugemachten Gräbern geschiehet, soll der Jenige, von deßen Vieh der Schade geschehen, von jedem Stück, an den, der es gepfändet das gewöhnliche Pfandtgeldt an 2 Sbgr., wie auch denen Gerichten 2 Sbgr. vor Ihre Gebühr erlegen und der Obrigkeit einen Rchsthlr. Straffe verfallen seyn. So es aber in der Unterthanen Getreyde Saat oder Wiesen geschiehet, Soll der Schade von denen Gerichten geschäzet und dem, der solchen Schaden erlitten, bezahlet auch darneben das Pfandtgeldt und denen Gerichten ihre Gebühr an 2 Sbgr. erleget werden.

11.
Es soll auch kein Unterthaner in einem von der Obrigkeit vermachten oder von derselben verbothenen Orthen hütten oder grasen oder von iedem stück der Obrigkeit mit 16 Sbgr. straffe dem Pfänder mit 2 Sbgr. und denen Gerichten mit 2 Sbgr. verfallen seyn.
12.
In dem Heydchen und Püschen soll sich keiner finden laßen Holz oder Streuling zu stehlen oder der Obrigkeit iedesmahl mit 1 Rchsthlr. dem Pfänder und denen Gerichten mit 2 Sbgr. verfallen seyn.

13.
Nicht weniger Soll auch das Fischwaßer oder Fließ, von der Waßermühle an bis an die Reichwaldische Gränze zu allen Zeiten geschonet werden und sich kein Unterthan es sey mit Fischen, mit Fischzeuge oder mit krebsen darin finden laßen bey 2 Rchsthlr. Straffe.
14.
Da einer oder deßen Kinder in Weinbergen Schoten Kraute oder in Obstgärten im Obste betroffen oder nach dem angezeiget wirdt, soll der Obrigkeit mit 1 Rchsthlr. dem Ansager und Gerichten ieden mit 2 Sbgr. verfallen seyn.

15.
Alle Zäune und die Höffe, Garten oder im Felde sollen aufs beste geschonet und von niemandt einiger schaden daran geschehen, so jemand sich deßen unterstünde, soll dem Ansager mit 4 Sbgr. und denen Gerichten mit 2 Sbgr. verfallen seyn, den ruinirten Zaun aber ganz neu und darneben mit dem Halß Eysen bestraffet werden.

16.
Wenn eines das andere, es sey Mann oder Weib an seinen Ehren mit groben schimpf Worten angreiffen würden, soll der Obrigkeit 1 Rchsthlr. Straffe, dem geschmäheten 8 Sbgr. und denen Gerichten 2 Sbgr. erlegen, wenn aber einer eine Schlägerey anfienge, und den andern blutrünstig oder sonsten hart schlüge soll von denen Gerichten alsbald in Arest genommen und von Ihnen solches der Obrigkeit angezeiget werden, welche sodann der Straffe und Gerichtskosten selber schon Verordnung zuthun wißen wird.
17.
Solte auch im Dorffe gar eine Mordthat gefährliche Schlägerey oder andere Uebelthat vorgehen, Ist die Gemeine dem Richter und Schöppen in solchen Fällen, zu welcher Zeit Sie angeruffen wirdt, Beystandt zu leisten und der Verbrecher zur Gefänglichen Hafft zu bringen, der Obrigkeit auch solches ungesäumbt zu hinterbringen schuldig, bey straffe oder nach Gelegenheit mehr Rchsthlr. so der Obrigkeit verfallen seyn und Richter und Schöppen 2 Sbgr. erlegen.

18.
Wenn auch die Weiber sich untereinander zancken und hadern oder gar schlagen möchten, solche sollen von denen Gerichten alsbald an Pranger geschloßen und 3 bis 6 stunden, nach Gelegenheit des Verbrechens davon stehen bleiben auch nicht eher wieder loß gelaßen werden, bis Sie denen Gerichten 2 Sbgr. erlegen.

19.
Solte iemandt in der Gemeinde sich unterstehen Richter und Schöppen bößlicher Weise zu schmähen und an ihren Ehren anzugreiffen, bey der Obrigkeit ernsten Bestraffung, Solte aber iemandt wieder die Gerichten einige rechtmäßige Beschwer zuführen haben, soll es bei der Obrigkeit klagen und deswegen Bescheid erwarten.

20.
Wenn der Richter über Feldt reyset, soll er dem ältesten Schöppen die Gerichten indeßen anvertrauen.

21.
Die Zäune an der Trifft bey diesem Dorffe, sollen von denen sämbtlichen Unterthanen alhier aller Orthen zur helffte gemachet und Jährlich gebeßert und in gutem Stande erhalten werden, ieder bey Straffe 1 Rchsthlr.

22.
Richter und Schöppen sollen schuldig seyn auf diese Dorff Ordnung welche den Gerichten und ganzen Gemeine alle Viertel Jahr einmahl vorgelesen werden soll, daß derselben in allen und ieden Punckten richtig nachgelebet werde fleißig acht zu haben, Worgegen Sie vor solche ihre Mühe und sorgfalt bey iedweden Fall ihre geordnete Gebühr und Straffe zu erwartten haben. Solte aber verspüret werden, daß ein oder der andere, so dieser Ordnung zuwieder gelebet, von Ihnen mit Fleiß übersehen würde, Sollen Sie deswegen mit nachdrücklicher Straffe beleget werden.

Uhrkundlich ist diese Dorff Ordnung, auf Begehren Tit. des Herrn Haubtmanns Johann Zacharias von Schliebens gefertiget und von Deroselben eigenhändig unterschrieben auch denen sämbtliche Unterthanen alhier acto publiciret und deutlich vorgelesen und davon ein Exemplar denen Dorff Gerichten zu künftiger beßeren Observanz zugestellet worden.
Actum Golzigk den 18. Dezember ao. 1704.
Johann Zacharia Von Schlieben
George Ammüller Notar.