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Niederlausitzer Fundgrube
Der Heimatwanderer Nr. 12 / 1928
Die Eichelmast in der Niederlausitz.
Von A. Arndt.
Die Eichelmast spielte im Wirtschaftsleben vergangener Jahrhunderte eine nicht unbedeutende Rolle. Um 1600 hatten die Bauern in Niemaschkleba an den Rat zu Guben, der in der Stadtmühle eine Schweinemästerei unterhielt, Eichelzins zu geben, jeder drei Scheffel. Vertrauensleute des Fürsten von Anhalt, der im Jahre 1607 die Herrschaft Dobrilugk vom Herrn von Promnitz kaufen wollte, berücksichtigten in ihrem Berichte über den Wert der Herrschaft auch die Eichelmast, als sie schrieben: Den 4. Mai frühe sind wir gezogen neben dem Herrn von Promnitz ins Holz, die hohe Warte genannt. Und soll solches eine große Meile breit und 1½ Meilen lang sein, wie wir denn auch also gezogen und darinnen befunden, daß es Eichen- und Kiefernholz, schön, jung, lang und geschlacht. Der größte Stamm ist eine oder fünf Viertel Klafter dick. In der Mitte sollen schöne, grobe, zweiklaftrige Bäume von Eichen und Kiefern stehen. Soll zwar ziemliche Mast, wegen der Jagd aber nur an gewissen Orten, ihrem Bericht nach für 400 Schweine. Und dann von den Untertanen 12 Groschen genommen und ihnen ein Zeichen gegeben und nachgelassen werden, in den anderen Eichhölzern, doch nur auf 14 Tage, Eckern aufzulesen.
Die Stadt Luckau, die bei den Dörfern Schonenwald, Wasserburg, Reichwalde und Freyenwald einen großen Pusch besaß, darinnen gute Mastung war (Großer, Lausitzischen Merkwürdigkeiten, Leipzig. 1714), ließ sich von dem zur Herrschaft Königs-Wusterhausen gehörenden Amte Kraußnick bescheinigen, daß „an denjenigen Orten, wo Eichelmast vorhanden, ohne vorher erhaltene Erlaubnis auch diejenigen, welche sonst die Hutungsgerechtigkeiten in sotanen Gehölzen haben, mit denen Pferden, Rind-, Schaf- und Schweinevieh nicht hüten dürfen, sondern der Hutung, solange solche Eichelmast währet, um so mehr sich enthalten müssen, weil sowohl die Pferde, als auch das Rindvieh, Schafe und Schweine die Eichelmast vernösen und mithin ruinieren. (Ständisches Archiv zu Lübben. Prozeß-Akten. Kreis Luckau.) Für Preußen bestimmte das Allgemeine Landrecht: § 188. Solange die Mastung dauert, müssen die Reviere, wo die Schweine sich befinden, mit der übrigen Hutung verschont werden. § 190. Die Schonzeit der Masthölzer nimmt der Regel nach mit Bartholomäi (24. August) den Anfang und dauert bis Weihnachten.
Auch die Dorfordnungen, die der Rat von Luckau vor 200 Jahren den Dörfern Schönwalde (Spreewald) und Groß-Lubolz, an der Eisenbahn Berlin-Cottbus-Görlitz gelegen, gab, enthielten Bestimmungen über die Eichelmast. So lautete der § 39 der Dorfordnung für Schönwalde wie folgt: Wenn durch des Höchsten Segen die Eicheln wohl geraten und solche der Gemeinde oder auch sonsten jemandem um ein gewisses zur Mastung derer Schweine verhandelt und dahin zu treiben verstattet würde, so sind doch die Gehege darunter nicht enthalten, gestalt denn niemand, auch außer der Mastungszeit, dahin, oder wenn Eicheln vorhanden, in die übrigen Püsche, es möchten denn diejenigen sein, so diesfalls sich mit E. E. Rate verglichen, weder mit Rind- oder Schafvieh, noch denen Schweinen zu treiben oder Eicheln zu lesen befugt sein sollen, noch weniger sollen diejenigen, welchen itzgedachtermaßen um ein gewisses die Eichelmastung zugelassen wird, die Freiheit haben, die Eicheln mit denen Stangen auszuschlagen und dadurch den Bäumen Schaden zu tun, oder über die verglichene oder bestimmte Zeit ferner in die Püsche zu treiben und Eicheln lesen zu lassen, und wenn sodann an Eicheln noch etwas übrig verbleiben möchte, hat die Gemeinde derselben sich nicht anders anzumaßen, als wenn auf den folgenden Frühling sie diesfalls sich fernerweit gebührend abgefunden und darauf unsere Vergünstigung erhalten.
Der Rat der Stadt Luckau hat also die Eichelmast verpachtet. Die Höhe des Pachtgeldes schwankte stark. Sie richtete sich wie das Mastgeld nach der Menge der vorhandenen Eicheln und nach dem Stande der Getreidepreise. Im Jahre 1708 hatte der Holzknecht (d. i. Förster) Michael Woschke zu Schönwalde die Eichelmast in dem sogenannten Schweinebusche für 30 Taler gepachtet. Er hatte drei Einnahmequellen, um die 30 Taler Pachtgeld und darüber hinaus einen kleineren oder größeren Ueberschuß zu erhalten.
Zunächst ließ er Schweine gegen ein bestimmtes Mastgeld in dem Busche weiden. Die „volle Mast“ dauerte in der Regel von Michaeli (29. September) bis Nikolai (6. Dezember). Der Tag der Einfehmung wurde so festgesetzt, daß an ihm schon eine Menge Mast von den Bäumen gefallen war. Es wurden zunächst nur die Schweine in den Wald getrieben, die gemästet werden sollten. Der Eichelmast wurde nachgerühmt, daß durch sie die Schweine ein sehr derbes Fett erhielten, das nur triefte, wenn der Speck an sehr warmen Orten aufbewahrt wurde. Es war allgemein üblich, daß im September nur über die volle Mast verhandelt wurde. Man einigte sich über die Dauer der Mastzeit, über die Höhe der Pacht oder des Mastgeldes. Dem Pächter der vollen Mast war nicht gestattet, „über die verglichene und bestimmte Zeit ferner in Püsche zu treiben und Eicheln lesen zu lassen“. Waren nach der Beendigung der vollen Mast noch Eicheln vorhanden, dann wurde über die Nachmast verhandelt, die dann den Faselschweinen zu gute kam. Die Faselschweine waren zur Zucht bestimmt im Gegensatz zu den Mastschweinen. Da man das Faselvieh nur dürftig zu füttern pflegte, so bedeutet Faselvieh oft überhaupt mageres, ungemästetes Vieh.
In den zur Mast benutzten Wäldern durften die Eichen, Birken und alle wilden Obstbäume nicht geschüttelt werden. Auch war es nicht erlaubt, das wilde Obst oder die Eicheln aufzulesen und wegzuschaffen. Der Holzknecht Woschke konnte jedoch einigen Leuten gegen eine bestimmte Abgabe erlauben, in dem Busche Eicheln zu sammeln, wodurch sich für ihn eine zweite Einnahmequelle öffnete. Im Jahre 1730 beklagten sich die „Haußleute“ (Mieter, Tagelöhner) zu Schönwalde, daß sie zwar für den Rat der Stadt Luckau junge Eichen ausgraben und versetzen müßten, welches sie auch gern und willig getan hätten, wenn ihnen nur, wenn Gott Eichelmast gibet, um ein billiges erlaubt würde, etwas zu ihrer Notdurft an Eicheln aufzulesen, allein so müßten sie, wenn sie die Eichelmast genießen wollten, vor jede Person, so sie zum Einsammeln in den Pusch schicken wollten, 16 Groschen entrichten.
Eine dritte Einnahmequelle für den Pächter der Eichelmast im Schweinebusche war – das Pfandgeld. Wer dort zur Mastzeit Pferde oder Ochsen, Ziegen oder Gänse weidete oder Eicheln auflas, konnte gepfändet werden. So erhielt der Holzknecht Woschke von dem Christian Goicke zu Groß-Lubolz 16 Groschen und außerdem Brot und Käse wegen gepfändeter Ochsen. Martin Eilze mußte 10 Groschen zahlen, weil ihm seine Pferde und Gänse gepfändet worden waren. Matthes Böttcher hatte 11 Groschen 3 Pfennige zu entrichten, da seine Pferde und Ochsen weidend im Eichbusche angetroffen worden sind. Eine Frau, die angeblich im Busche Eicheln aufgelesen hatte, mußte 6 Pfennig bezahlen. Die Bewohner des Dorfes Groß-Lubolz waren dem Holzknecht Woschke nicht freundlich gesinnt, weil er bei der Verpachtung der Eichelmast wesentlich mehr geboten hatte als die Gemeinde. Einige Dorfbewohner waren so verärgert, daß sie ihre Schweine nicht in den Busch schickten, weil sie dem Woschke nichts zu verdienen geben wollten. Am 6. Dezember 1708 weideten die Ziegen des Dorfes Groß-Lubolz in dem Schweinebusch und wurden gepfändet. Diejenigen aus der Gemeinde, die ihre Schweine in die Eichelmast gegeben, erhielten ihre Ziegen bald wieder; von den andern aber sollte ein jeder dem Woschke für 1 Stück Ziegenvieh 12 Groschen Pfandgeld geben, „weniger könnte er sie nicht loslassen, woher sollte er sein Pachtgeld aus dem Pusche nehmen“.
Im Jahre 1727 kostete in der Niederlausitz eine starke Eiche 1 Taler 12 Groschen, eine mittelmäßige 16 Groschen und eine kleine 6 Groschen. Zu derselben Zeit mußten die armen Leute zu Schönwalde, wie bereits erwähnt, 16 Groschen für jede Person zahlen, die sie zum Eichelsammeln in die Eichenwälder schicken wollten. Auch das Pfandgeld ist im Vergleich zu den Holzpreisen reichlich hoch. Die Einnahme der Stadt Luckau an Eichelgelde aus dem Schweinebusche betrug im Jahre 1717 230 Taler und 1737 157 Taler. Im westfälischen Lauensteiner Amtsdorfe wurden im Jahre 1590 auf einer Waldfläche von 25000 Morgen eine Herde von 9039 Schweinen eingetrieben und hierfür eine Einnahme von 8659 Gulden 10 Groschen erzielt, während für Holz nur 84 Gulden 4 Groschen einkamen.
Es kann daher nicht wundernehmen, wenn die Behandlung der Eichwälder ganz der Mastnutzung angepaßt wurde. Es entstanden mit weitständigen, breitkronigen, alten Stämmen bestandene Waldungen mit reichlichem Graswuchs am Boden, wie er für die Hutung gern gesehen wurde. Die breitkronigen Eichen berührten sich mit ihren Zweigen. So konnte einst, wie man erzählt, jemand von Schönwalde nach Waldow kommen, ohne zu gehen oder zu laufen, zu fahren oder zu reiten. Der Betreffende gewann seine Wette, indem er in der „Jeseritz“ von einer Eiche zur andern kletterte.
Nach dem Hausbuch des Ordensamtes Friedland vom Jahre 1663 hatte die Gemeinde Chosewitz (Chossewitz) in den Eichwäldern, zwischen dem alten und Schneideteiche gelegen, die Mastung; die Eichbäume aber durften sie bei Strafe nicht umhauen. Der Puschläufer Hans Jalschke zu Hartmannsdorf, 46 Jahre alt, sagte im Jahre 1727 vor dem Oberamtsgericht in Lübben aus, daß solange er Puschläufer wäre, hätte niemand ohne des Amtes Vorbewußt Eichen, auch nicht auf seinem eigenen Grund und Boden, auch nicht in Gärten, herunterhauen dürfen. Früher hätte 1 Taler 6 Groschen Strafe darauf gestanden, itzo wäre sie etwas höher, für jede Eiche 3, 4 und mehr Taler (Städtisches Archiv zu Lübben. Landes-Hauptm. Nr. 259.)
Die Eichen standen also früher unter besonderem Schutz. Man wollte die „Mastbäume“ erhalten. Nach dem Puschläufer Falke lieferte eine Eiche, wenn die Eicheln gut geraten, 2, 3 oder 4 Scheffel Eicheln. Die Waldhutung spielte im Wirtschaftsleben vergangener Jahrhunderte eine wichtige Rolle. In den Wäldern der Mark Brandenburg traf man von 150 Jahren „auf jede zehn Schritte ein Schaf, eine Kuh oder ein Pferd“ (C. F. K. Geschichte der Churmärkischen Forsten. Berlin 1789.). Da die Hutungsgerechtigkeiten den Fortschritten in der Land- und Forstwirtschaft hinderlich waren, wurden die in Preußen am Schluß der Stein-Hardenbergschen Reform (1807 – 1821) durch die Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 beseitigt. Durch die Separation wurde die „Gemeinheit bei Weideberechtigungen auf Aeckern, Wiesen, Angern, Forsten und sonstigen Weideplätzen“ aufgehoben. Dazu kam, daß die Kartoffel in immer größerem Umfange angebaut wurde. Nach der Aufstellung im Ständischen Archiv zu Lübben wurden im Jahre 1755 im Kreise Luckau, die Herrschaften Dobrilugk und Sonnewalde nicht mitgerechnet, nur 2 Dresdener Scheffel Erdäpfel geerntet. Seit der Teuerung 1771 hat sich jedoch der Ackerbau um vieles verbessert und durch stärkeren Anbau der Kartoffeln ist der Mangel an Getreide sehr ersetzet worden. Zuvor kannte man in diesen sandigen Gegenden die Kartoffeln fast gar nicht, wo man sie jetzt schon in Menge erbauet. (Lexikon von Obersachsen und der Ober- und Niederlausitz. Ulm 1800.) Bereits im Jahre 1839 wurde, „nach Einübung der Methoden und Handgriffe, die es möglich machen, einen ausgedehnten Kartoffelbau zu betreiben, dieser in allen verbesserten märkischen Wirtschaften als Haupthebel des Ackerbaues angesehen“. (J. G. Koppe, Kurze Darstellung der landwirtschaftlichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg. Berlin 1839.)
Es ist wohl kein Zufall, wenn um dieselbe Zeit das Hüten der Schweine in dem Dorfe Schönwalde (Spreewald) aufgehört hat. Die alten Hutungsgerechtigkeiten waren infolge der Gemeinheitsteilungsordnung durch die Separation beseitigt. Ein ausgedehnter Kartoffelbau lieferte Futter für die Schweine. Da wurde die Eichelmast überflüssig. Die Eichen und Eichenwälder verschwanden. Heute kann niemand mehr in der Jeseritz von einer alten, breitkronigen Eiche zur andern von Schönwalde nach Waldow klettern (vergl. Meßtischblatt 2250. Waldow.) und auch der Schweinebusch zwischen Groß-Lubolz und Schönwalde ist heute zum weitaus größten Teile nicht mehr Wald, sondern Acker.
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