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Niederlausitzer Fundgrube
Der Heimatwanderer Nr. 7 / 1935
Ein Rangstreit im alten Finsterwalde 1735
Von R. Jungrichter, Sallgast.
Nach dem Merseburger Reglement war eine genaue Rangordnung für die Beamten im Herzogtum Sachsen-Merseburg vorgesehen. Doch diese gab wiederholt zu Streitigkeiten Anlaß. Insbesondere achteten die Frauen darauf, daß dem Rang ihrer Männer kein Abbruch getan wurde. So kam es bei der Beerdigung der Frau Bürgermeister Lopp in Finsterwalde auf dem Wege zum Kirchhof zu unliebsamen Auftritten, die Hauptbeteiligten dieses sonderbaren Streites waren die Frau Rektor Kies und Frau Accise-Inspektor Mühlbach. Schon im Jahre 1724 hatte sich der Accise-Inspektor Mühlbach beim Herzog wegen des Vorranges vor dem Subdiakonus beschwert. Weil er aber zugleich Stadtschreiber von Finsterwalde war, wurde er abgewiesen und mußte hinter dem Subdiakonus und Rektor fortan gehen. Seine nachmalige Witwe kannte dieses Urteil nicht an und wandte sich mit folgender Beschwerde an den Herzog:
Hochfürstl. Durchl. Herzog!
Es hat die hiesige Rektorin Christiane Sophie Kiesin unlängst den Vortritt und Rang vor mir genommen, und da ich solches nicht gestatten wollte bin ich fortgegangen und sie hat auf offener Gasse vor der ganzen Trauergemeinde gerufen: „Was bilden Sie sich eigentlich ein, Sie sind eine ganz infame Frau!“ Obwohl ich nun der Ehr- und Rangsucht sehr feindlich bin, so kränkt es mich doch sehr schmerzlich, daß sie so unschuldig für eine infame Frau auf offener Straße gescholten wurde, da allerdings mir doch der Vortritt vor besagter Rektorin gebühret, indem mein seliger Mann Johann Gottfried Mühlbach nach beigelegtem allerhöchsten und gnädigsten Befehl sub. A. A. B. das Prädikat und Rang eines Kgl. Poln. und Kurf. Sächs. Accise-Inspektor erhalten und solchen Rang auf mich als seine hinterlassene Witwe transferiert, und daher ersuche ich Ew. Hochfürstl. Durchlaucht hiermit untertänigst demütigst geruhen in Gnaden mich nicht nur bei meinem Vortritt und Rang vermeldeten Rektorin zu schützen, sondern auch von ihr wegen der mir zugefügten Beschimpfung genügliche Satisfaktion mit Ersetzung aller verursachten Unkosten widerfahren und dahero gnädigsten Befehl an hiesiges Amt in Finsterwalde und Geistlichkeit ergehen zu lassen.
Vor dieser Gnade werde ich zeitlebens verharren
untertänigst Johanne Sophie Mühlbachin, Witwe.
Finsterwalde, den 16.3.1736
Der Streit zwischen dem Rektor und der Witwe Mühlbach übertrug sich auch auf den neuen Accise-Inspektor, so daß der Rektor die Hilfe des Herzogs in Anspruch nehmen mußte.
Sein Vorgänger Rektor Johann Georg Landt habe sein Amt so verwaltet, daß er bezüglich der Rangordnung sehr nachgiebig gewesen sei, so daß er dadurch viel Verdruß habe. Durch Gottes Segen habe er sein Amt so verwalten können, daß die Schule in bester Ordnung sei. Jedoch habe er in den 13 Jahren seines Hierseins viel Aerger gehabt wegen des Vortritts durch den vorigen Aktuarius, besonders aber wegen des jetzigen Aktuarius Pilareck bei der letzten Leichen Condukte de facto. Er dulde es nicht, daß der Aktuarius über den Rektor präsentieren kann, nachdem er von dem Hochfürstl. Hause examiniert und vokiert worden sei, wie auch zur Zeit von einem hochfürstl. Oberkonsistorio als Theologus hinwiederum examiniert und konfirmiert wurde. Nach dem Merseburgschen Reglement kommen der Konrektor nach dem Pastore und der Tertius Gymnasii über den Aktuarius Consietori. Daher werde er folglich von diesen beiden entweder Konrektor oder Tertio wenigstens auch sich gleich schätzen können und den Rang als Rektor gleich nach dem Subdiakonus allhier mit Recht zu nehmen habe und nicht der Aktuarius.
Wenngleich auch die hiesige Schule keine hohe Schule ist, so werden doch solche Subjekte erzogen, wie wiederum aus dem Attest Sub. B. zu entnehmen ist. Er möchte sich und seinen Nachfolgern nicht vergeben, darum nehme er zu hochfürstl. Gnaden Zuflucht, daß allgemein die Verordnung ergehen möchte, damit der Aktuarius sich zufrieden wisse, und er fortan in seinem Amt keine neue Kränkung erleiden müsse und nicht vom Aktuarius unterdrückt würde.
Die folgenden beiden Leumundszeugnisse legte der Rektor dem Schreiben an den Landesfürsten bei.
Attest.
Nachdem ich Herrn Joh. Sam. Kies verordneten Schul-Rektor allhier wegen seines geführten Amtes um ein glaubwürdiges Attest ersucht und hierinnen ich ihm nicht entgegen sein kann. Als attestliche Kraft meines Beweises bekenne ich hiermit, daß derselbe sein Amt soviel mir bewußt fleißig und treulich verwaltet, ihn niemals bei Visitationen in seinen Stunden unfleißig befunden, auch deswegen keine Klage bei mir eingelaufen. Zur näheren Beglaubigung ich dieses nicht allein mit eigener Hand unterschrieben sondern auch mit dem gewohnlichen Petschaft besiegelt.
Finsterwalde, den 2. Mai 1735
Christ. Zehmen, Pastor sen.
Attest.
Nachdem Herr Joh. Sam. Kies, Rektor hiesiger Schule mich ersucht ihm ein Attest wegen meiner 2 Söhne, so er an hiesiger Schule unter seiner Information gehabt, zu urteilen. Also habe ich nicht umhin gekonnt zu attestieren, daß er an meinen Kindern Zeit während der Information dargestellt in re Citariaria sowohl auch Musica seinen Fleiß angewandt, daß ich nicht nur bewogen worden meinen mittelsten Sohn Christof Wilhelm wieder aus der Luckauschen Schule zu nehmen und in hiesige Schule zu geben, sondern auch den Jüngsten, Karl Gottlob noch eine geraume Zeit in hiesiger Schule benannten Herrn Rektor Kies zu lassen. Da diese beiden Kinder dazumal ihre Studien auf die von oben genannten Herrn Rektor Kies gelegten Fundamente also mit guten Succes fortgesetzt haben, daß der 1. nunmehr auf die Universität Wittenberg gegangen, der andere aber noch in Buddissin (Bautzen) dasieges Gymnasium frequentiert vor solchem adhibierten Fleiß ich Herrn Rektor Kies Dank sage.
Finsterwalde, den 17. Mai 1735
Christoph Gräbner, Amts-Einnehmer.
Der über ein Jahrzehnt dauernde Streit wurde durch Herzog Heinrich zu Gunsten des Rektors entschieden.
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