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Niederlausitzer Fundgrube
Der Heimatwanderer Nr. 11 / 1927
Alte Flurnamen in der Finsterwalder Feldmark.
Verfasser: Mielke, Finsterwalde.
Sonderdruck aus dem „Niederlausitzer Anzeiger“
vom 8. Mai 1927. Nr. 107. Jahrgang 82.
Rathaus, Kirche und Schloß sind die Sehenswürdigkeiten, die der Fremde in Finsterwalde in Augenschein nimmt als die Stellen, an denen das Leben der früheren Zeiten seinen steinernen Ausdruck fand. Im Rathaus die Forderung des täglichen bürgerlichen Lebens, in der Kirche die Sorge für die Dinge jenseits des grauen Alltags, im Schlosse aber die landesherrliche ordnende Gewalt. Die drei Baulichkeiten könnten sich als Denkmäler vergangener Jahrhunderte gewiß sehen lassen, wenn sie in ihrer ursprünglichen Gestalt und mit würdigem Aeußern, wie die Baumeister sie sich gedacht haben, wiederhergestellt würden. Beim Rathaus soll ja jetzt ein Anfang damit gemacht werden. Um den von den drei Bauten gegebenen Kern legt sich der immer größer werdende Ring des wachsenden Gemeinwesens. Damit verschwindet eine nach der anderen der alten Oertlichkeiten und ihre volkstümliche Bezeichnung sang- und klanglos. Und sie sind doch ebenfalls ehrwürdige Reste des Gemeinschaftslebens vergangener Tage. Das „Luckauer Tor“ und der „Stadtgraben“ liegen heute mitten in der Stadt und wer denkt noch daran, wenn er die Berliner Straße entlang kommt, daß auf dem Bauplatz der Reichspost und der Stadtbank im „Schweinefeldchen“ zu Antoni jeden Jahres der in der schon im Jahre 1619 revidierten Hüfnerordnung festgesetzte große Ferkelmarkt stattfand. Wenn die neue Straße durch den Kirchwinkel gebrochen sein wird, werden „Schloßgarten“, „Schloßwiesen“ und „Baderwiese“ der Vergessenheit anheim gefallen sein, wenn nicht eine verständnisvolle Stadtverwaltung sie als Straßenbezeichnung weiterleben läßt. Nicht jeder wird wünschen, daß der Spottname für die Kalauer Straße bestehen bliebe und mit dem erbärmlichen Straßenpflaster dort wird auch die Bezeichnung „Toller Hund“ in absehbarer Zeit weichen müssen. Die volkstümliche Bezeichnung heißt übrigens in den Karten aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts „auf dem tollen Hunde“ und bezieht sich zweifellos allein auf ein bestimmtes Grundstück.
Vom Marktplatz treten wir durch das „Lange Tor“ an der „Pferdskeute“ vorbei auf den „Langen Damm“, der früher als Knüppel-Damm durch die nassen Wiesen am „Bürgerbusch“ und die „Dammvorstadt“ nach dem „Groß-Vorwerk“ und weiter ins Land hinein führte. Im „Bürgerbusch“, „auf der Buschwiese“ und „auf der Hammelwiese“ weideten bis zum Jahre 1845 die Finsterwalder, Massener und Schacksdorfer Einwohner gemeinsam ihr Vieh. Nach der Hutfreilegung wurder der „Bürgerbusch“ zum Kämmereivermögen der Stadt Finsterwalde geschlagen, zu dem er ja noch heute gehört. Das „Groß-Vorwerk“ – heute „bei Biegers“ – war eine Domäne, die die Stadtgemeinde Finsterwalde 1832 vom Staate erworben hat und dessen Ländereien in einzelnen morgengroßen Stücken an die Bürger weiterverkauft sind. Um das „Groß-Vorwerk“ herum schloß sich „der Park“. Vom „Groß-Vorwerk“ aus führte die Schacksdorfer Straße nach dem genannten Dorfe und zum „Mittelfeld“, während es auf der „Pflaumenallee“ zum „Pachterfeld“ und auf die „Kuhweide“ ging.
Um das „Groß-Vorwerk“ herum gehen wir auf dem „Haynwege“ durch den „Hayn“ und den „großen Hayn“ am „Kornschen Garten“ vorbei zum Südende von Naundorf. Ohne nähere Untersuchung erscheint es gewagt, in den „Hayn“ das Weißbuchengehölz zu verlegen, das Finsterwalde den wendischen Namen Grabyn (gleich Weißbuchenhayn) gegeben hat. Immerhin gibt vielleicht diese Flurbezeichnung einen Fingerzeig. Durch Naundorf führt uns der Weg am „Schießhause“ vorbei zur Eichholzer Straße und auf dieser zum „Goldberg“, einem Mühlberg, an dessen Fuß sich die „Berggärten“ hinzogen, während ihnen gegenüber auf der rechten Straßenseite die Ackerstücke „auf der Sorge“ und die „Sorgengärten“ lagen. Von der Straße aus gesehen hinter ihnen lagen nach Norden zu die „Lugkgärten“ und weiter schweift der Blick über den „Stutfleck“, die „große Spitze“ die „Tännenspitze“, die „Spitzwiese“ und die „Spitzgärten“. Blicken wir nach Süden, so liegen die „Neugärten“ vor uns und „hinter der Scharfrichterei“ schließt der „Landgraben“ die „Schaf“- und die „Lämmerwiesen“ ab. Wenn uns unser Weg bis zu einem einsamen Gehöfte „frei im Felde“ geführt hat, liegen um uns im Kreise „der Junkerbusch“, die Ländereien „in der Horst“ und „auf der Horst“ und die verlassenen Torfstiche auf der „Kesselwiese“, der „großen Wiese“ und „der kleinen Wiese“. Am „Kalten Graben“ entlang gehen wir zu der Stelle, wo die „Haidemühle“ der Anlage der Rieselfelder hat weichen müssen und folgen dem „Haidemühlgraben“ in die Bürgerheide bis zu den „sieben Bornen“, aus denen er gespeist wird. An der Eisenbahn zurück treffen wir auf die „Trift“, die von der „Fleischerabfindung“ und den „Zaunenden“ im Zuge der heutigen Turnhallenstraße nach dem „Lugk“ führte. Aus der Nähe des Krankenhauses würde die „Galgenmühle“ herübergrüßen, wenn sie noch vorhanden wäre. Der Galgen, dies Zeichen mittelalterlicher Gerichtshoheit, das sich unter der Bevölkerung einer sehr ungleichmäßigen Beliebtheit erfreute, stand vielleicht auf der kleinen Anhöhe hinter dem heutigen Waisenhause in der Kirchhainer Straße, denn die ehemaligen Ackerpläne zwischen Sonnewalder Straße und Luckauer Bahn lagen im „Gerichtsfelde“. Quer durch den „Pfaffenpfuhl“ läuft heute die Luckauer Eisenbahn, kurz bevor sie die Sonnewalder Staße in der Ueberführung kreuzt.
Bei unserem Rundgang sind wir durch die Forststraße bis zum Brückenkopf gelangt und wandern nun auf der Sonnewalder Straße nach Nordwesten, besuchen den sorgsam gepflegten städtischen Kirchhof auf der „Fahne“ und kommen auf dem Ponnsdorfer Wege zum „Kuhnsberg“, dem höchsten Punkt im Weichbilde der Stadt. Als der Geschmack noch nicht so verfeinert war, standen an seinem Südabhang die Rebstöcke, weshalb die Grundstücke dort „am Weinberge“ liegen. Die Ebene nördlich des Kuhnsberges nehmen die „Gröbitzer Grabenstücke“ ein, während Lehmanns Scheune und Obstgarten am Gröbitzer Weg „auf dem Zeisigberg“ liegen und sich an die „Lehmkeuten“ anlehnen. „Am Holländer“ heißt eine städtische Straße zur Erinnerung an die Mühlen, die dort gestanden haben. Die „Tanneberger Steigstücke“ können wir nicht mehr besuchen: auf ihnen liegen die Gleisanlagen des Bahnhofs und die mächtigen Bauten der Reichelt-Metallschrauben-Aktiengesellschaft. Auf dem Tanneberger Steig kamen die Tanneberger zur Stadt und zur Kirche. Hier standen auch wieder zahlreiche Mühlen, unter anderen die „Mittelmühle“ und „Ramms Mühle“. Bis vor kurzem drehte von ihnen allein noch die schon auf Massener Feldmark liegende „Grenzmühle“ ihre Flügel im Winde. „Altdamm“ führt uns in den „langen Hacken“, zum „Winkel“ und zum „Hacken“; im „Hackeckchen“ trifft er mit der Wiesenstraße zusammen, zwischen der und der Schacke „die Bleiche“, die „Winkelgärten“ und die „Neuwiesen“ liegen.
Ohne Wissenschaftlichkeit und ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind in den vorangegangenen Zeilen die Flurbezeichnungen so zusammengestellt, wie sie sich in den Karten und Büchern aus dem Anfang und der Mitte des 19. Jahrhunderts finden. Völlig fehlen die Bezeichnungen in der inneren Stadt, die zum Teil schon als Straßennamen erhalten sind, wie „Wickhof“, „Glasbund“ und ähnliche, zum Teil aber vielleicht schon vor längerer Zeit völlig nichtssagenden Straßenbezeichnungen Platz gemacht haben. Die überkommenen Namen werden hier wie anderswo häufig mißverstanden und verstümmelt überliefert worden sein. Hier zu sammeln und zu sichten scheint eigne schöne Aufgabe für einen aufrichtigen Heimatfreund.
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