Niederlausitzer Fundgrube Der Heimatwanderer Nr. 4 / 1936 Ostersingen in Breitenau.
Manch schöne Sitten und Bräuche sind in hiesiger Gegend noch üblich, die schon aus grauer Vorzeit stammen. So werden u. a. in der Osternacht auf allen Kirchdörfern der Umgegend von der Dorfjugend die Glocken geläutet; von Mitternacht meist bis zum Morgengrauen – und wer in einer stillen Osternacht durch die Lande geht, der hört die Glocken erklingen von Ort zu Ort.
Dazu hat sich noch mancherorts der Brauch des „Ostersingens“ erhalten bis auf den heutigen Tag. – So auch in Breitenau. Hier ist diese Sitte üblich seit Menschengedenken.
Die Jugend des Dorfes – Burschen und Mädchen – versammeln sich an einigen Abenden vor Ostern in der Spinte, um zu dem bevorstehenden „Ostersingen“ die Lieder einzuüben. Das alte Gesangbuch aus „Großmutters Zeiten“ wird mitgebracht und die darin stehenden Osterlieder, die meist in den neuen Büchern nicht mehr enthalten sind, werden geprobt. Diese alten Lieder kennt jeder Bursch und Mädchen des Dorfes von dem jährlichen Ostersingen schon aus frühester Kindheit. – Ist nun die Mitternachtstunde der Osternacht herangekommen, steigen einige Burschen die Stiegen des alten Turmes empor und beginnen die Glocken zu läuten. Die übrigen sangeskundigen Burschen und Mädchen haben sich in der Spinte versammelt und gehen nun von Haus zu Haus und singen unter dem Fenster der Bauern je ein Osterlied. Sobald nun das Lied verklungen, öffnet sich von innen das Fenster und eine Hand im Nachthemd reicht zum Dank ein kleines Geldgeschenk heraus, das von dem dorfältesten Mädchen in Empfang genommen und zum nächsten Jugendvergnügen – dem Stollenreiten – verwandt wird.
Von Haus zu Haus geht die singende Schar. Niemand wird vergessen, sogar die alten Auszügler bekommen ihr „Osterständchen“. Beim Lehrer wird ein besonders gut geübtes Lied gesungen und wohl auch entsprechend belohnt.
Inzwischen vergeht die Nacht. Die singenden Stimmen sind trocken geworden und werden aus einer mitgeführten Flasche etwas „angefeuchtet“. – Zum Schluß führt der Weg beim Morgengrauen auf den Friedhof, vor dem Eingang der Kirche. Die Glocken, die schon müde geworden, beginnen noch einmal zu klingen und aus allen Kehlen erschallt nun zum Abschluß das Lied:
Früh morgens wenn die Sonn` aufgeht,
mein Heiland Christus aufersteht.
Ein Kaffeekränzchen in der Spinte, zu dem die Mädchen schon vorher Kuchen gebacken und die „Spintemutter“ inzwischen den heißen Kaffee gekocht hat, beschließt das „Chorsingen“. Alle Teilnehmer gehen nach Hause, um hier dem Osterhasen beim Verstecken der bunten Eier in Hof und Garten behilflich zu sein.
Wie ein Märchen aus frühester Kindheit Tagen wird dieses „Ostersingen“ jedem Einwohner des Ortes noch bis ins hohe Alter in Erinnerung bleiben.
P. Babben, Massen
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