Niederlausitzer Fundgrube Der Heimatwanderer Nr. 12 / 1936
Das große Sterben.
Bei Urban Hensel hatte es angefangen.
In der Erntezeit hatte eine fremde Frau mit ihrem Töchterlein Aufnahme begehrt. Ihr Mann war von den Wallensteinern erschlagen. Sie hatte sich mit dem Kindlein geflüchtet und war am Ende ihrer Kräfte. Voller Mitleid nahm Urban Hensels Mutter die beiden auf.
Am nächsten Tag starb das Kind. Die Frau lag fiebernd auf dem Stroh. Ihr war nicht mehr zu helfen. Der neue Tag fand sie tot.
Der Richter kam und ordnete an, daß die Leichen sofort der Erde übergeben würden. Durch das Dorf eilte die Kunde: „Die Frau starb an der bösen Krankheit, gegen die es kein Heilkraut gibt.“ Und viele Hände wurden gefaltet: „Herr, verschone uns vor der Pest!“
Ab da war nichts mehr aufzuhalten. Bald begrub man Urban Hensels Mutter, einige Tage später den noch jungen Mann, dann seine Kinder, sein Weib, den Knecht, die Magd. Des Richters Frau erkrankte und strab. Er selbst lag lange Zeit schwer danieder. Und wie ein Wunder erschien es ihm nachher, daß er noch lebte. –
Langsam ging er die Dorfstraße entlang ... Die Gehöfte schienen verödet. In allen Häusern hatte die Krankheit gewütet und Opfer gefordert, hier die Kinder, dort den Vater, die Mutter; immer waren es mehrere, die der unerbittliche Tod mit sich nahm. Manche Familien, wie Urban Hansel und Jakob Pehle; waren ganz ausgestorben. Vor Furcht waren viele der noch Lebenden aus dem Dorfe geflohen. Nur wenige Beherzte hatten sich gefunden, die den Toten ein Grab bereiteten. –
Dem Pfarrer zitterte die Hand, als er alle die Namen der Gestorbenen in das Kirchenbuch eintrug und zum Schluß vermerkte: „Summa aller Verstorbenen und Begrabenen zu Werentzhayn deß 1632. Jahres 118 Personen.“ Vielleicht ahnte er, daß wenige Jahre später (1637) die Seuche noch einmal das Dorf heimsuchen, daß sie dann auch ihn und seine Familie hinwegraffen würde. Eine andere Hand trug für ihn 1637 ein: „Der Gestorbenen sind 115, ohne was unbewußt ist, weil viel die Ihrigen in ihrem Garten und sonsten hin und her begraben haben.“
Grasse, Werenzhain.
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