Niederlausitzer Fundgrube
Ueber die Dorfschulen in der Niederlausiz.Abschrift aus Lausizische Monatsschrift 1794
Erster Theil Erstes bis Sechstes Stück. (Seite 157 bis 163 und 228 bis 233) (digitalisiert von Google, abgeschrieben von Bernhard Wagner)
Ew. haben mich so oft aufgefordert, Ihnen etwas über die Verfassung der Dorfschulen in Niederlausiz mitzutheilen, daß ich es Ihnen ohnmöglich länger vorenthalten kan. Nehmen sie mit dem vorlieb, was ich Ihnen zu geben vermag. Die Unwissenheit der Jugend war mir damals als ich in die N.L. kam ganz entsezlich. Die Katechumenen konten kaum buchstabiren, und die Zahl der Götter die sie angaben, stieg nicht selten auf sieben. Nur die grimmigste Kälte im Winter, trieb die Kinder, so lange sie dauerte, einigermassen in die Schule, und nur sie bewirkte das, was alle meine Bitten, Ermahnungen, und Belehrungen bei unbekümmerten Eltern auszurichten unvermögend waren. Es war eine, den guten Leuten ganz fremde Erfahrung, da ich die meisten Katechumenen ihrer Unwissenheit wegen zurück wies, und sie glaubten mich eines bessern durch den triftigsten Grund zu belehren: daß sie auch nicht mehr gelernt hätten und doch zum h. Abendmahle wären zugelassen worden. Da das nichts half, so meinten sie wenigsten, ich fienge unnöthige Neuerungen an, und sie liessen es mit der Schule doch – beim Alten.
So standen die Sachen, als die einstweilige Schulordnung im März 1790 erschien. Ganz wie neubelebt fühlte ich mich nun, und viele meiner redlichen Kollegen mit mir. Nur durch die beßre Einrichtung der Dorfschulen hoften wir beßre Zuhörer und Gemeinden zu erhalten. Aber – meine Erwartungen, und vielleicht auch die schönen Hofnungen der meisten blieben unerfüllt. Im allgemeinen genommen ist es immer noch nicht viel besser geworden. Die ruhmwürdigen Absichten unsers hohen Konsistoriums, und dessen helldenkenden Direktors, bleiben größtentheils unerfüllt. Sie fragen mit Recht: woher das komme? Ich werde die Ehre haben Ihnen meine Meinung hierüber zu sagen. An einigen Orten mögen die Pfarrer wohl schuld sein, weil sie ihren Gemeinden über den so wichtigen Gegenstand der Erziehung gar nichts sagen, oder weil sie die Schulen nicht fleissig besuchen, keinen Eifer für die Verbesserung zeigen, u.d.g. Doch ich bin auch überzeugt, daß es nur äuserst wenige Prediger dieser Art in unsrer Provinz geben wird. Ich kenne die thätigsten Männer, und ihr Eifer – schaft doch nicht den bezwekten Nuzen. Das erkläre ich mir nun folgender massen: Ein grosser Theil hiesiger Bauern ist beinahe keiner Belehrung über die Erziehung seiner Kinder fähig. Es mangelt ihm an allen hierzu erforderlichen Wörtern, und Begriffen. Einem andern Theile fehlte es an guten Willen, diese Belehrungen anzuhören und zu befolgen. Starrsinn und große Vorliebe für alte hergebrachte Unwissenheit, halten ihn von der Befolgung der so heilsamen Schulordnung ab. Die Herrschaft soll nun zwar nach ausdrüklicher Anweisung, die Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schiken, für jeden versäumten Tag mit 4 gr. bestrafen. Allein dieß zu thun, finden die meisten Obrigkeiten, wegen der Armuth ihrer Unterthanen bedenklich, mithin bleibt es größtentheils so, wie es war. Ich vor meine Person glaube aber doch, daß die Armuth bei den meisten nicht so groß ist, als man allgemein annimt. Man dar nur auf den überhandnehmenden Luxus der N. L. Bauern, in Ansehung der Kinder ihrer Söhne und Töchter Achtung geben, so wird man sie nicht so gar arm finden, ob ich gleich weit entfernt bin, die darum als begütert darzustellen. Zu dem, so ist es auch gewiß, daß der Vater, dem es einmal sauer kam 4 gr. Strafe zu erlegen, in Zukunft sich hüten wird noch mehrmalen in dieses Strafe zu verfallen. So viel ich weiß, spricht die Erfahrung, auf den Gütern des Hrn. Präsidentens von Tresky, für meine Meinung. Der Bauer muß nur sehen, daß man in ernsthaften Dingen nicht mit ihm spaßt, so wird er sich gewiß in die für ihn heilsame Ordnung fügen. Im Meißnischen wird das Schulgeld von den Eltern eingetrieben, die ihre Kinder von der Schule abhielten, und dieß ist ein Sporn für sie, daß sie nicht so leicht ihre Kinder zu Hause behalten. Vielleicht wäre das auch hier anwendbar. Sei es übrigens wie es wolle, so bleibt doch so viel gewiß: wenn die Herrschaften die Ermahnungen der Prediger und ihre Bemühungen in Absicht für die Schulen, mit Ernst und Nachdruk nicht unterstüzen, so wird es gewiß nichts helfen, wenn auch die vortreflichsten Schulordnungen vorhanden sind. Wie viel gutes könten oft auf dem Lande thätige Lehrer der Religion stiften, wenn ihre Ortsherrschaften in freundschaftlicher Einigkeit mit ihnen auf den Zwek hinarbeiten wollten: Die Einwohner der Dörfer in welchen sie leben, zu bessern und sie glüklicher zu machen. Denn gewiß wird es in solchen Dörfern um die moralische Bildung der Einwohner, und um die Beförderung des Guten, schlecht stehen, wo die Herrschaft froh ist, wenn sie den Pfarrer nicht sehen darf, oder ihn mit sichtbarer Geringschäzung behandelt, und wo der Prediger den Umgang mit seiner Ortsherrschaft flieht, sich auch wohl durch Habsucht, Rechthaberei und pharisäischen Stolz und Heiligkeit ihrer Freundschaft unwerth macht. Mich freut es herzlich, so oft ich höre, mit welcher Achtung unser würdige Herr Präsident seinen Predigern begegnet, und mit welcher Ehrfurcht und Liebe sie wieder von ihm sprechen. Jeder gutdenkende scheuet gewiß keinen Fleiß und Mühe, wenn er nur sieht, daß die höhern ihn dabei unterstüzen, und durch ihre Achtung ihn dafür belohnen! – Verzeihen Sie diese kleine Ausschweifung: ich wollte nur damit sagen: daß die so nöthige Schulverbesserung allgemein zu hoffen seyn würde, wenn alle Herrschaften nach ihren Kräften darzu mit wirkten. Uebrigens freue ich mich Ihnen sagen zu können: daß ich jezt für meinen Ort gute Hofnung zu schöpfen anfange, und daß auch einige Ortschaften sich finden, wo es um die Schulen merklich besser steht, als vorhin. Auser den schon erwähnten eigenthümlichen Dörfern des Hrn. Präsidenten, könte ich Ihnen die Dorfschaften der Grafschaft Lübbenau anführen, welche jezt unter der wohlthätigen Vormundschaft desselben stehen. Auch die Herrschaft Straupiz würde ich hier nennen können. So zeichnet sich auch auf eine vortheilhafte Art (wie man mir sehr glaubwürdig versichert hat) ein Ort im Kalauischen Kreisse, Namens Wormlage aus. Der edelgesinte Besizer dieses Gutes der Herr von Pannewiz, stiftet hier viel gutes. Er verschenkt zwekmässige Schulbücher unter die Schulkinder, besucht in der Gesellschaft seiner Gemalinn die Schule, und diese edle Frau theilet mit der ihr eignen Freundlichkeit und Herablassung, die so sehr für sie einnimt, unter die fleissigsten Kinder Geschenke aus. Auch das neue Gesangbuch vertheilte der Herr von P. unter sie und unter seine erwachsne Unterthanen. Aber – so sehr diese ihn auch lieben, so unmöglich sagten sie, sei ihnen dießmal zu gehorchen, und sich des Gesangbuches beim öffentlichen Gottesdienste zu bedienen, die baten flehentlich es beim Alten zu lassen, und der würdige Mann gab nach, in Hofnung: daß nach und nach die Vorurtheile gegen diese vortrefliche Liedersamlung verschwinden werden. Hat Ihnen mein Brief nicht lange Weile verursacht – welches ich aus einer baldigen Antwort erkennen werde, so erwarten Sie über diese und ähnliche Dinge bald mehr.
__________________ Ueber die Dorfschulen in der Niederlausiz.
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