Alte Maße Altpreußens
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Dem heutigen Deutschen, der in der Schule das metrische System in seiner einfachen Klarheit beherrschen lernt, erscheint das Beharren anderer Völker an althergebrachten, verwickelten Maßeinheiten unverständlich. Zu leicht vergessen wir, das auch uns erst Bismarcks Reformen an die Stelle einer Vielzahl umständlicher Maßsysteme ein einziges für das ganze Deutsche Reich gültiges setzte. Für die Angaben älterer Zeit müssen wir aber doch die Maßeinheiten und Berechnungsweisen unserer Väter verstehen lernen. Für den praktischen Handgebrauch soll nun diese anspruchslose Zusammenstellung alte Maße unserer Heimat bringen, ohne daß sich eigene Forschungen daran knüpfen1). I. Die Längen- und Feldmaße.
Diese sind wohl für jeden Sippenforscher die wichtigsten, sei es, daß er die genaue Lage eines alten Familienbesitzes in der Feldflur festlegen will, sei es, daß ihn dessen Größe beschäftigt. Aus diesem Grunde sollen hier zuerst auch die Maße besprochen werden, in denen solche Angaben gemacht wurden. a) Die amtlichen Maße.
Sie finden sich in den amtlichen Urkunden, den Verschreibungen, den Grundbüchern und sonstigen Festlegungen. Auch sie haben im Wandel der Zeit gewechselt und andere Einheiten bekommen, dagegen hat sich das Verhältnis dieser Maßeinheiten zueinander ohne Aenderung gehalten2). Es sind immer 1 Rute = 7½ Ellen = 12 Fuß und für feinere Unterteilungen 1 Fuß = 12 Zoll. 1 Zoll = 12 Linien. 1 Linie = 12 Skrupel. Ferner 1 Hufe = 30 Morgen. 1 Morgen = 300 Quadratruten, wobei gleich zu bemerken ist, daß der später eingeführte Magdeburger oder preußische Morgen nur 180 Quadratruten hat, und daß dieses Maßsystem eine Hufe amtlich nicht kennt.
Es hat nun folgende verschiedene Maße nacheinander in Altpreußen gegeben:
Durch die kulmische Handfeste vom 28. XII. 1233 führte der Orden das flämische Maß amtlich ein, das danach das a l t k u l m i s c h e Maß genannt wurde. Die Maßeinheit, die kulmische Elle, wurde am Kulmer Dom durch Marken für alle zugänglich verankert.
Im Herzogtum Preußen wurde dieses Grundmaß etwas verlängert, um es anderen häufig gebrauchten Maßen anzugleichen. Dieses n e u k u l m i s c h e Maß wurde durch Verordnung vom 27. II. 1577 eingeführt.
1721 wurde dieses Maß durch ein kürzeres ersetzt, das o l e t z k o i s c h e, wobei aber unter bestimmten Bedingungen die alten Maße nach 1755 nebenher wieder angewandt werden konnten. Diesem unhaltbaren Zustand machte das Feldmeßreglement vom 28. V. 1793 ein Ende, das alle Messungen nach
m a g d e b u r g i s c h e m Maß anordnete und zwar in der bisherigen Duodezimalteilung, die 1813 endlich durch die Dezimalteilung ersetzt wurde. Diese neue Einteilung wurde nunmehr allgemein p r e u ß i s c h bezeichnet. Es gelten also in den Teilen Altpreußens, die dem Orden gehörten, folgende Maße: bis 1577 das altkulmische, 1577 - 1721 das neukulmische, 1721 - 1755 das oletzkoische3), 1755 - 1793 bei Privatgütern das neukulmische3), 1793 ff. das magdeburgische, seit 1813 in Dezimalteilung als preußisch bezeichnet, in den Teilen, die polnisch waren, vor allem im Ermland: bis 1793 das altkulmische3), von 1793 ab wie oben.
Die Umrechnung der alten Maße in unser heutiges metrisches System ergibt die folgende kleine Tabelle.
b) Volkstümliche und handelsübliche Maße.
Die Volkstümlichen Maße führen uns an den Ursprung von Maß und Messen überhaupt heran. Durch die Vielfalt ihrer Entstehung ist es bei ihnen nicht mehr möglich, eine systematische Uebersicht wie bei den amtlichen Maßen des vorigen Abschnittes zu geben. So sei nur eine Aufzählung des Wichtigsten geboten, die auf Vollständigkeit keinen Anspruch erhebt. 1. Längenmaße.
Ueber die Entstehung solcher Maße unterrichtet uns am besten die "Geometria culmensis" etwa um 14004): "Das erste und kleinste Maß ist ein Fingerbreit, deren vier machen eine Handbreit, und vier Handbreit machen einen Fuß, und zwei Fuß machen eine kulmische Elle, und fünf Fuß machen einen Schritt, und 125 Schritte machen ein Gewende, und acht Gewende machen eine welsche Meile, und zwei welsche Meilen machen eine Rast. ... Ferner: Drei Schritt machen eine Meßrute und 2 Meßruten ein Seil ... und eine deutsche Meile 180 Seil."
In der herzoglichen Zeit5) kann gesetzt werden:
1 Meile = 30 Gewende = 180 Seil = 1800 Ruten. 1793 setzte man dann zur Vereinfachung 1 Meile = 2000 Ruten = 7532 Meter. Im Handel erhielten sich noch folgende Bezeichnungen: 1 Klafter = 1 Faden = 3 Ellen, wobei ja 7½ Ellen eine Rute ergaben. Ein Beruf sicherte sich bis zuletzt ein eigenes Maß, die Teichgräber wurden nach einer Rute bezahlt, die 5/4 der übrigen an Länge hatte. 2. Feldmaße.
Neben der amtlichen Maßordnung hat sich nur noch ein Maß von Bedeutung erhalten: 1 Haken, auch polnischer Haken oder polnische Hufe genannt, gleich 2/3 Hufen = 20 Morgen. Weise6) umreißt den Unterschied sehr klar: "Die Hufe ist das vom Deutschen mit Pferd und Eisenpflug in einem Arbeitsgang beackerte Land, der Haken die entsprechende Leistung der mit Ochsen bespannten Joche (gleich hölzerner Pflug, gleich Haken) der Preußen. Rein äußerlich kann man die Volkszugehörigkeit des Empfängers von Landverschreibungen schon daraus erkennen, ob der Boden nach Haken oder nach Hufen verliehen wurde."
Früh verschwundene Bezeichnungen sind: 1 Beet = 10 Kreuzruten, wobei 1 Kreuzrute = 15x15 Kreuzschuhen = 225 Quadratfuß. II. Hohlmaße
Noch verworrener ist die Lage bei den Hohlmaßen, hier hatte ohne Uebertreibung jeder größere Ort seinen eigenen "Scheffel" u. ä. Um z. B. die Getreidepreise festzulegen, schlug man die Fracht nicht auf den Preis eines Scheffels Korn auf, sondern suchte für den Scheffel überall den gleichen Preis zu erzielen, indem man ihn immer größer machte, je weiter der Ort vom Haupthandelsplatz entfernt war. So gibt Poschmann7) eine ganze Kette solcher verschiedenen Größen von Scheffeln durch das Ermland an, die von der Entfernung von Braunsberg abhängig waren. Hier können natürlich nur Mittelwerte gegeben werden8). Solche sind
für trockene Gegenstände: Getreide, Früchte usf.
1 Scheffel = 4 Viertel = 10 Metzen9) = 48 Stof = etwa 55 Liter und für größere Mengen 1 Last = 2½ Wipfel = 3¾ Malter = 24 Tonnen = 60 Scheffel. Die Scheffel hatten auch für verschiedene Getreide, Hülsenfrüchte usf. verschiedene Größen, die aber nicht sehr voneinander abwichen.
Für Flüssigkeiten galt entsprechend
1 Stof = 1 Kanne = 1 Quart = 100 Kubikzoll = etwa 1,15 Liter.
Für größere Mengen wieder1 Oxhoft = 1½ Ohm = 3 Eimer = 3¾ Legel = 6 Anker = 180 Stof.
Als Besonderheiten seien angemerkt, daß eine Danziger Biertonne 92-94 Stof hatte und daß davon ein Fuder = 12 Tonnen = 24 Faß waren, während der Rheinwein nach dem Maße seines Herkunftslandes in einem Faß von 132 Stof zu 1,7 Liter gehandelt wurde.III. Die Gewichte.
Auch die Gewichte weisen wie die Hohlmaße an den verschiedenen Orten und für verschiedene Stoffe ganz verschiedene Größen auf, was Handel und Wandel der einzelnen Städte untereinander und mit dem Auslande empfindlich behinderte. Diesem Zustand versuchte schon der Deutsche Orden immer von neuem und stets vergeblich ein Ende zu machen, die "Akten der Ständetage" berichten von diesen dauernden Bemühungen. Es können daher hier nur die wichtigsten Größen und deren Durchschnittswerte angegeben werden.
Für kleinste Mengen, vor allem für Gewürze und Heilmittel, galten folgende Einheiten, die zum Teil auch heute noch gebraucht werden:
1 Lot = 4 Quentchen = 18 Grän = 72 Karat = 240 Gran10) = etwa 14½ Gramm. Für größere Mengen finden wir
1 Pfund (auch Krampfund genannt) = 16 Unzen = 32 Lot = etwa 468 Gramm und weiterhin 1 Zentner = 3 Stein = 82/3 Liespfund = 110 Krampfund. Wie der Scheffel zeigt auch der Stein besonders große Abweichungen an den einzelnen Orten des Landes, so daß die wichtigsten aufgezählt seien: es galt ein Stein in Danzig 34 Pfund, in Elbing 36 Pfund, in Königsberg 40 Pfund, in Thorn 29 Pfund. Ebensolche Verschiedenheiten im Gewicht des Steins gab es für verschiedene Waren, der wichtigste war hier ein Stein Schafwolle gleich 22 Pfund, nach dem noch sehr lange gerechnet wurde.
Schließlich wurden die allergrößten Mengen gemessen nach 1 Last = 12 Schiffspfund = 36 Zentner. IV. Kurzes Verzeichnis gebräuchlicher lateinischer Bezeichnungen11).
aratrum = Haken milliare = Meile funiculus = Seil modus = Scheffel hemina = Stof orgyia = Klafter jugum = Morgen pes = Fuß lapis = Stein talentum = Schiffspfund libra = Krampfund tina = Tonne mansus = Hufe ulna = Elle virga = Rute1) Für die allgemeinen Grundlagen vergleiche bei E. Wermke: Bibliographie zur Geschichte von Ost- und Westpreußen 1931, die unter Nr. 4292-98 angegebenen Werke. Für einzelne Hinweise bin ich Herrn Studienrat Dr. Franz, Herrn Museumsdirektor Dr. Gause und Herrn Mittelschullehrer E. J. Guttzeit zu Dank verpflichtet 2) Hierzu besonders H. Roedder: Zur Geschichte des Vermessungswesens Preußens insbesondere Altpreußens. Stuttgart 1908 3) Ueber die Einzelheiten unterrichtet das Anm. 2 genannte Buch auf S. 104 - 107. 4) Geometria culmensis. Hrsg. v. H. Mendthal. Leipzig 1886, S. 21 ff. Die Textwiedergabe erfolgte in heute üblicher Schrift und Ausdrucksform. 5) Vergl. R. Stein, Die Umwandlung der Agrarverfassung Ostpreußens. Bd. I, Jena 1918, S. 20 ff. 6) E. Weise, Die alten Preußen. 2. Aufl., Elbing 1936, S. 7) in: Zeitschrift für die Geschichte u. Altertumsk. Ermlands 23. 1928, S. 210 8) Besonders nach der bei Wermke (vergl. Anm. 1) fehlenden Schrift: Chr. Langhans, De Mensuris regni Borussiae hodiernis. Königsberg, Phil. Diss. 1717. 9) Die Metze war das ursprüngliche Maß, sie sollte zehnmal soviel haben, wie ein Mann mit zwei Händen greifen könne. 10) Das Gran zeigt am besten die Herkunft dieser Maße, es sollte das Gewicht eines Pfefferkorns sein. 11) Besonders nach dem in Anm. 8 genannten Werk und den Akten der Ständetage Ost- und Westpreußens. Hrsg v. Max Toeppen. Leipzig 1874-86. |